„Ich werde jetzt auf der Straße erkannt“

Interview mit Babylon-Berlin-Schauspielerin Liv Lisa Fries

Die Schauspielerin Liv Lisa Fries über den Erfolg, die Hintergründe und den Reiz von „Babylon Berlin“ und was die Reihe für sie persönlich verändert hat.

09.10.2020

Von Cornelia Wystrichowski

Die beiden Hauptfiguren der Serie: Gereon Rath (Volker Bruch) und Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries). Foto: ARDT/Degeto

Die beiden Hauptfiguren der Serie: Gereon Rath (Volker Bruch) und Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries). Foto: ARDT/Degeto

Es ist eines der Fernsehereignisse des Jahres: Die bei Fans und Kritikern beliebte Serie „Babylon Berlin“ geht in die nächste Runde. Schauspielerin Liv Lisa Fries steht als Charlotte Ritter wieder an der Seite von Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch).

Frau Fries, die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ startet jetzt im Ersten. Was hat sich für Sie seit der Ausstrahlung der ersten beiden Staffeln geändert?

Liv Lisa Fries: Es hat sich so einiges verändert, ich bekomme jetzt ganz andere Anfragen, auch aus England oder Amerika. Mit steigendem Bekanntheitsgrad steigt im Kapitalismus eben der sogenannte Marktwert eines Schauspielers und man kommt plötzlich für andere Sachen in Frage (lacht). Und ich werde auch hin und wieder auf der Straße erkannt, selbst wenn ich eine Mütze aufhabe.

Sie ermitteln als Kollegin von Kommissar Gereon Rath im Berlin der 20er Jahre. Schlüpfen Sie gerne in die Haut von Charlotte Ritter?

Ja, sehr, das ist toll. Mir gefallen ihre positive Art und ihre Stehauf-Qualität. Auch wenn es nicht immer nur die pure Wonne ist, sie zu spielen.

Warum nicht?

Weil die Figur auch mit Schmerz verbunden ist, es ist nicht alles nur schön in Charlottes Leben. Sie kommt aus ärmlichen Verhältnissen und ist schon in den ersten beiden Staffeln durch existenzielle Momente gegangen. Sie ist unter anderem nach einem Autounfall beinahe ertrunken. Beim allerersten Lesen des Drehbuchs dachte ich mir bei der Unterwasserszene: „Huch, das haben die mir ja gar nicht erzählt, dass sie in der Szene stirbt“. Dann habe ich aus Neugier weitergelesen und war froh, dass sie überlebt. Auch in den neuen Folgen wird Charlotte Ritter wieder sehr leiden.

Eine schauspielerische Herausforderung für Sie?

In der dritten Staffel gibt es existenzielle Szenen, die mit Verlusten für Charlotte verbunden sind, das kostet mich viel Kraft. Immer wenn es um Leben und Tod geht, muss ich sehr viel Energie in das Spiel hineingeben, das ist sehr anstrengend. Ich musste auch sehr viel schreien, wie der Zuschauer sehen wird, das ging mir total auf die Stimme.

Was war sonst noch besonders anstrengend?

Die Tanzszenen! Ich musste ja vor den ersten Staffeln überhaupt erst mal Charleston lernen – diesmal ging es darum, neue Choreographien einzustudieren.

Wie geht es mit Charlottes Kampf um Anerkennung in einer Männerwelt weiter?

Das mit der Emanzipation ist ein zentraler Punkt, generell kämpft sie für Anerkennung und Wahrheit. Es kann ja nicht wahr sein, dass Männer mehr wert sein sollen als Frauen – damals wie heute, und das passt nicht in ihr humanistisches Weltbild. In den neuen Folgen ist sie allerdings Kommissars-Assistentin, sie ist also Teil des Systems und kann nicht mehr wie früher einen Spruch bringen, wenn ihr jemand blöd kommt. Diesmal muss sie mehr runterschlucken.

Der Serie liegt die Buchreihe von Volker Kutscher zugrunde. Wie gut kennen Sie die Romane eigentlich?

Ich habe bisher keinen einzigen gelesen, denn das würde mich nur irritieren. Bevor wir angefangen haben, die erste Staffel zu drehen, habe ich den ersten Roman aufgeschlagen. Dann habe ich eine Stelle gelesen, da hieß es sinngemäß: „Charlotte Ritter mit ihren langen Beinen.“ Da habe ich das Buch sofort zugeschlagen, denn diese banale Äußerlichkeit hat mir klar gemacht: Diese Figur hat gar nichts mit mir zu tun. Ich muss meine Charlotte Ritter finden, und die bei uns ist ganz anders als die in den Romanen.

Was sagt Volker Kutscher zu diesen Änderungen?

Volker Kutscher meinte, dass die Figur der Charlotte Ritter in der Serie, auch wenn sie nicht ganz so ist wie in seinen Büchern, trotzdem den Nerv seiner Figur getroffen habe. Das finde ich total schön.

„Babylon Berlin“ gilt als teuerste deutsche Serie aller Zeiten. Wie schlägt sich der Aufwand bei den Dreharbeiten nieder?

Den merkt man schon, vor allem in den großen Szenen mit den vielen Komparsen. Gerade bei den Straßenszenen gibt es immer wieder Momente, wo man die riesigen Dimensionen der Serie spürt. Manchmal kommt man hin und staunt nur noch, wie viele Menschen da sind, alle in Kostüm und Maske, und wie gut man das Leben von damals spürt.

Können Sie viel an Originalschauplätzen in Berlin drehen?

Wir haben auch für die neuen Folgen wieder an Originalsets gedreht – der Keller im Schöneberger Rathaus ist wieder das Restaurant Aschinger, das Rote Rathaus das Polizeipräsidium.

Fasziniert Sie diese Epoche, die Zeit der Weimarer Republik?

Es gibt Faszinierendes, aber auch nicht so Schönes oder sogar Beängstigendes. Was mir sehr gefällt ist das Analoge, auch die ganze Architektur, das Innendesign, wie damals die Möbel aussahen, die Mode, die Musik. Das entspricht mir ästhetisch sehr, das finde ich wirklich toll, das ist für mich ein großer Reiz.

Sind Sie denn ein analoger Mensch?

Könnte man schon sagen. Ich habe auch noch ein altes Telefon – ich habe zwar auch ein Smartphone, um E-Mails zu beantworten, aber ich telefoniere mit dem alten Knochengerät. Ich bin schon eher analog als technisch. Ich merke auch immer wieder, dass es mir guttut, wenn ich den technischen Konsum reduziere.

Dritte Staffel läuft an

Liv Lisa Fries hatte mit ihrer Rolle als Charlotte Ritter in „Babylon Berlin“ ihren Durchbruch als Schauspielerin. Sie bekam dafür den Grimme-Preis. Foto: Frederic Kern/Imago images

Liv Lisa Fries hatte mit ihrer Rolle als Charlotte Ritter in „Babylon Berlin“ ihren Durchbruch als Schauspielerin. Sie bekam dafür den Grimme-Preis. Foto: Frederic Kern/Imago images

Die zwölf neuen Folgen von „Babylon Berlin“ (ab Sonntag im Ersten) basieren auf dem Roman „Der stumme Tod“ von Volker Kutscher. Die Handlung beginnt kurz vor dem Börsencrash 1929: Der Mord an einer Schauspielerin führt Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) und seine Kollegin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) in die Babelsberger Filmstudios, dabei geraten die beiden in die politischen Wirren der Weimarer Republik.

Liv Lisa Fries kam 1990 in Berlin zur Welt. Sie nahm schon als Teenager Schauspielunterricht und spielte nach dem Abitur in zahlreichen Fernsehproduktionen mit. - ski

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Erstellt:
09.10.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 55sec
zuletzt aktualisiert: 09.10.2020, 06:00 Uhr

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