Bürger-App

Mühlstraßen-Sperrung: Im Februar werden die Tübinger gefragt

Die Verwaltung will wissen, ob auf der Neckarbrücke eine Radspur eingerichtet werden und dafür die Mühlstraße für den Individualverkehr gesperrt werden soll.

17.12.2019

Von Sabine Lohr

Fahrradspur auf der Neckarbrücke. Bild: Ulrich Metz

Fahrradspur auf der Neckarbrücke. Bild: Ulrich Metz

Zwei Monate lang, bis Mitte November, gab es auf der Eberhardsbrücke eine eigene Spur für Fahrräder – mitten auf der Straße. Sie war vier Meter breit, Fahrradfahrer fuhren auf ihr in beide Richtungen. Dafür wurde den Autos eine Spur weggenommen und sie konnten nicht mehr geradeaus in die Mühlstraße weiterfahren. Diese war nur über die Gartenstraße zu erreichen.

Vom 4. bis 18. Februar sollen die Tübinger nun per „Bürger-App“ gefragt werden, ob aus diesem Versuch ein Dauerzustand werden soll. Der Klimaausschuss des Gemeinderats hat am Montag der Formulierung der drei Fragen und der Informationen dazu zugestimmt. Ausgearbeitet hat sie eine Arbeitsgruppe.

Gefragt wird zunächst, ob „die Mühlstraße zugunsten eines Radwegs auf der Neckarbrücke für PKW gesperrt werden“ soll. Dann will die Verwaltung wissen, welche „ergänzenden Maßnahmen“ im Fall der Sperrung ergriffen werden sollen: mehr Busverkehr zum Österberg, eine Sonderregelung zur Durchfahrt der Mühlstraße für Bewohner des Österbergs und / oder Maßnahmen zur Verringerung des PKW-Verkehrs in der Weststadt und in Lustnau. Und schließlich sollen die Teilnehmer sagen, wie wichtig ihnen eine durchgängige Radspur vom Lustnauer Tor bis zur Neuen Aula ist.

Die letzte Frage bezieht sich darauf, dass es in der Wilhelmstraße weniger Verkehr gibt, wenn nicht mehr so viele Autos durch die Mühlstraße fahren.

Auf der App sind etliche Informationen zum Verkehrsversuch hinterlegt. Dabei geht es vor allem um die Auswirkungen während der Versuchszeit. Dazu hat die Verwaltung sowohl auf Messdaten zurückgegriffen als auch auf die drei Informationsveranstaltungen am Ende des Versuchs.

Demnach haben sich Radfahrer sicherer gefühlt: „Die separate Grünphase für den Radverkehr vermied die oft brenzlige Situationen, in denen der Bus nach links zieht, während die Radler nach rechts auf den Gehwegbereich wechseln.“ In der Mühlstraße haben mehr Fahrradfahrer die Fahrbahn benutzt. Und der Gehweg war seltener von parkenden Autos blockiert.

Eigene Grünphase für Abbieger

Die Verkehrszählung am Lustnauer Tor hat ergeben, dass im Vergleich zu 2018 die Zahl der Radfahrer von 5900 auf 8400 am Tag zugenommen hat. Allerdings sei es nicht möglich festzustellen, ob diese Zunahme auf den Verkehrsversuch zurückzuführen sei.

Der Busverkehr hatte in der ersten Hälfte der Versuchszeit mit erhöhten Verspätungen zu kämpfen, weil es auf der Neckarbrücke Wartezeiten gab – wegen geradeausfahrenden Autos und wegen den Abbiegern in die Gartenstraße. Diese konnten nicht weiterfahren, weil die Fußgänger über die Gartenstraße gleichzeitig Grün hatten. Bis zum Ende des Versuchs habe es aber fast keine Verspätungen mehr gegeben. Während des Versuchs fuhren auch mehr Busse auf den Österberg – statt im Halbstundentakt fuhren sie jede Viertelstunde.

Wenn auf der Neckarbrücke dauerhaft eine Radspur angelegt wird, will die Verwaltung die Mühlstraße für den PKW-Verkehr komplett sperren – dann ist auch keine Zufahrt aus der Gartenstraße mehr möglich. So würden auch die Navigationssysteme Autofahrer nicht mehr in die Mühlstraße schicken, schreibt die Verwaltung. Außerdem will sie die Ampel am Ende der Neckarbrücke so programmieren, dass Autofahrer eine eigene Grünphase zum Abbiegen in die Gartenstraße haben und nicht mehr warten müssen, bis die Fußgänger die Gartenstraße überquert haben.

Der Autoverkehr ist während des Versuchs in der Stadtmitte zurückgegangen. Lediglich im Stadtgraben fuhren mehr Fahrzeuge – nur so kamen Autos auf den Österberg. Vor der Adlerkreuzung in Lustnau, auf der Wilhelmstraße östlich des Nordrings, in der Westbahnhofstraße und in der Hegelstraße hat der Verkehr zugenommen. Es lasse sich feststellen, dass der Autoverkehr „in seiner Qualität nicht wesentlich beeinträchtigt wurde“.

Auswirkungen auf die Luftqualität waren nicht feststellbar. Zwar seien Vergleiche über kurze Zeiträume wegen der Wetterverhältnisse wenig aussagekräftig, heißt es, klar aber sei, dass der PKW-Verkehr in der Mühlstraße kein dominanter Einflussfaktor für die Luftqualität sei.

Und schließlich wurden auch die Händler gefragt. Rund 20 Prozent haben geantwortet. Demnach sieht die Mehrheit keine Auswirkungen des Versuchs auf den Umsatz, wenige gaben an, ihr Umsatz sei gestiegen, ein Drittel klagte über Umsatzverluste. Drei Viertel der Händler, die geantwortet haben, sprachen sich gegen den Radweg auf der Neckarbrücke aus.

Die Tübinger „Bürger-App“

Die Befragung zum Verkehrsversuch ist die zweite, die über die „Bürger-App“ läuft. Teilnehmen können alle Tübingerinnen und Tübinger ab 16 Jahren. Vor der Befragung bekommen alle Berechtigten noch einmal oder zum ersten Mal den Code zugeschickt, mit dem sie an der Befragung teilnehmen können. Wer die App nicht nutzen will, kann seine Antworten auch schriftlich geben.

Das Ergebnis der Befragung ist, anders als bei einem Bürgerentscheid, kein Beschluss – diesen trifft der Gemeinderat. Die Befragungsergebnisse dienen dem Gremium als Entscheidungshilfe. In der ersten Befragung per App ging es um den Bau eines neuen Hallenbads und um einen Konzertsaal.

Die Tübinger Bürger-App gibt es für Android im Google Play Store und für iOS im Apple App Store.