Frostschäden · Dieses Jahr gibt es fast kein Obst

Im Kreis Reutlingen muss mit Ernteausfällen von bis zu 100 Prozent gerechnet werden

Herrliches Frühlingswetter im März, der ohnehin der wärmste seit Aufzeichnung des Wetters war – was die meisten Menschen gefreut hat, gab Ulrich Schroefel gleich ein ungutes Gefühl.

29.04.2017

Von Thomas de Marco

Fast alles durch den Frost zerstört: Kreisfachberater Ulrich Schroefel (links) und Rolf Schäfer vom Obstbau-Arbeitskreis begutachten die Schäden an Apfelbäumen auf der Anlage, die Annerose Gönninger (rechts) seit 30 Jahren mit ihrer Familie in Glems betreibt.Bild: Haas

Fast alles durch den Frost zerstört: Kreisfachberater Ulrich Schroefel (links) und Rolf Schäfer vom Obstbau-Arbeitskreis begutachten die Schäden an Apfelbäumen auf der Anlage, die Annerose Gönninger (rechts) seit 30 Jahren mit ihrer Familie in Glems betreibt.Bild: Haas

Dieses hat den Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau beim Landratsamt Reutlingen nicht getrogen: Vom 19. bis 21. April zog Polarkälte mit Durchschnittstemperaturen von minus 6 Grad Celsius in die Region und schädigte die Obstbäume massiv.

Die Walnuss-Ernte fällt deshalb dieses Jahr ebenso komplett aus wie die von Pfirsichen, Aprikosen und exotischem Obst wie Kiwi. Süßkirschen sind zu 95 Prozent geschädigt, Pflaumen, Zwetschgen, Äpfel, Birnen, Reben und Beeren sind zu 80 bis 90 Prozent dahin. „In meinen 30 Dienstjahren habe ich so etwas noch nie erlebt“, sagt Schroefel, der Obstbau-Vereine und -Betriebe in der Region berät.

„Ich muss mich erst wieder fangen, an solche Frostschäden können sich selbst alte Menschen in Glems nicht erinnern“, klagt Annerose Gönninger, die seit 30 Jahren mit ihrer Familie einen Nebenerwerbs-Obstbaubetrieb gegenüber vom Glemser Stausee führt. „Aber die Arbeit geht weiter, die Kosten laufen auf, die Bäume müssen gesund gehalten werden.“ Denn schon wollen Schädlinge die Schwächung der betroffenen Bäume ausnutzen.

Bei Äpfeln bestehe noch die Hoffnung auf eine Nachblüte, die dann vielleicht sogar noch zu ordentlichen Früchten reifen könnte, sagt Rolf Schäfer, der Vorsitzende des Arbeitskreises Obstbau und Baumwarte. Als Inhaber des HG-Markts in Neuhausen, der das Obst der hiesigen Erzeuger für Saftereien einsammelt und vertreibt, geht er davon aus, dass es diesmal keine Kirschen und kaum anderes Obst aus der Region gibt. „Keiner hat Ware anzubieten.“

Schroefel sorgt sich deshalb auch um die regionalen Projekte mit Edelbränden, Seccos, Säften und Dörrobst, für die es nun keine Früchte von den Streuobstwiesen der Gegend gibt. „Der Handel und die Saftindustrie bedienen sich jetzt eben in Südeuropa“, sagt der Kreisfachberater.

Für Familie Gönninger heißt es jetzt vor allem: „Kopf hochhalten. Denn die nächste Einnahme kommt frühestens im Juni 2018“, sagt Annerose Gönninger. Hilfen vom Land sind bislang jedenfalls für ihren Nebenerwerbsbetrieb nicht in Sicht.

Die Gefahr extremer Klima-Ereignisse nimmt zu

Schäden durch späten Frost hat es immer wieder mal gegeben – etwa bei den Eisheiligen. Aber noch nie seien alle Kulturen flächendeckend so massiv geschädigt worden, sagt Ulrich Schroefel, Kreisfachberater für Obst- und Gartenbau beim Landratsamt Reutlingen. Der Frost hat sich auch deshalb so stark ausgewirkt, weil die Blüte in diesem Jahr gut zwei Wochen früher als sonst eingesetzt hat. Dabei haben alle Obstarten gleichzeitig geblüht. Schroefel befürchtet, dass wegen des Klimawandels die Gefahr solcher extremer Ereignisse stetig zunimmt.