Wer üben will, muss fahren

Im Kreis Tübingen gibt es keinen Verkehrsübungsplatz – wo lässt sich legal trainieren?

Den Auto-Führerschein zu machen, ist nicht billig: Viele üben deshalb auch ohne Fahrlehrer, häufig auf Parkplätzen. Wer erwischt wird, handelt sich eine Anzeige wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ein. Wer legal trainieren will, muss raus aus dem Kreis Tübingen.

21.04.2016

Von Jonas Bleeser

Hand aufs Herz: Wer ist vor der Führerschein-Prüfung nicht mal auf einem Feldweg oder Parkplatz herumgekurvt? Um legal zu üben, dafür gibt es im Kreis Tübingen keinen Platz mit regelmäßigem Übungsbetrieb. In Reutlingen bietet die Verkehrswacht am Freibad ein abgesperrtes Areal, auf dem die Kupplung ohne Schein malträtiert werden darf. Bild: Bleeser

Hand aufs Herz: Wer ist vor der Führerschein-Prüfung nicht mal auf einem Feldweg oder Parkplatz herumgekurvt? Um legal zu üben, dafür gibt es im Kreis Tübingen keinen Platz mit regelmäßigem Übungsbetrieb. In Reutlingen bietet die Verkehrswacht am Freibad ein abgesperrtes Areal, auf dem die Kupplung ohne Schein malträtiert werden darf. Bild: Bleeser

Tübingen. Parkplätze und Feldwege sind für Führerscheinanwärter häufig die ersten Teststrecken – junge Leute machen dort erste Fahrversuche mit den Eltern oder älteren Freunden. Beliebt sind in Tübingen beispielsweise der Parkplatz an der Morgenstelle oder der Festplatz. Allerdings ist das Anfahren-Üben auch auf gänzlich verlassenen Auto-Abstellplätzen verboten. „Das ist nur erlaubt, wenn es ein nicht-öffentlicher Verkehrsraum ist“, erklärt der Vorsitzende der Kreisverkehrswacht Tübingen Ernst Klett. Da spiele es auch keine Rolle, dass der Parkplatz eines Supermarktes Privatgelände ist: Solange er für andere Autofahrer frei zugänglich ist, greift das Verbot. Wer dagegen über einen größeren Hof verfügt, der mit einem Tor zur Straße abtrennbar ist, darf auf seinem privaten Gelände legal herumkurven. Klett, im Hauptberuf Polizist, warnt vor den Konsequenzen der Parkplatz-Überei: „Da droht beiden eine Anzeige, dem Fahrer wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, und dem Autobesitzer, weil er das ermöglicht.“ Das Gesetz sieht dafür eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor. In der Praxis werden die Verfahren bei Ersttätern meistens eingestellt, gegen Geldauflagen oder Sozialstunden. Dazu kommen zwei Punkte in der Verkehrssünderdatei. Außerdem kann es sein, dass bis zum Abschluss des Strafverfahrens keine Führerscheinprüfung abgelegt werden kann.

Um das Risiko zu vermeiden, bleibt der Besuch eines Verkehrsübungsplatzes. Allerdings sind die eher dünn gesät: Im Kreis Tübingen gibt es keinen. „Der Bedarf wäre schon da“, glaubt Klett, „aber wir haben die finanziellen Mittel nicht.“ Gäbe es ausreichend Spender und einen Gönner, der ein entsprechendes Gelände zur Verfügung stellt, würde die Kreisverkehrswacht gerne zugreifen. Bislang ist aber weder das eine noch das andere in Sicht.

Klett rät deshalb zu einem Besuch in Reutlingen: Dort gibt es ein kleines Trainingsareal der benachbarten Verkehrswacht Reutlingen-Münsingen. „Da hab’ ich mit meiner Tochter auch geübt.“ Auch ältere Menschen, die lange nicht mehr hinter dem Steuer saßen, nähmen das Angebot dort gerne an. „So kann man sich schon ein paar Fahrstunden sparen.“

Dagegen hat auch Fahrlehrer Wolfgang Rieker prinzipiell nichts. Er ist Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes im Kreis Tübingen. „Fürs Anfahren-Lernen ist das sinnvoll.“ Anders sieht er das bei komplizierteren Manövern wie Parkübungen: Das könnten Eltern meist nicht so korrigieren, wie es sinnvoll sei. „Das führt dann nur zu mehr Fahrstunden, als es spart.“ Seinen Prüflingen empfiehlt Rieker, sich zu einem geeigneten Trainingsgelände ruhig etwas weiter chauffieren zu lassen – die künstlichen Verkehrslandschaften in Kirchheim oder Leonberg bieten mehr Platz als die in Reutlingen. In Leonberg gibt es auch Kreuzungen mit Ampeln sowie eine Anlage, bei der die Fahrbahn mit Wasser bespritzt wird, um Regenfahrten zu simulieren.

Eine weitere Möglichkeit ist der Führerschein mit 17. Dann darf man bis zur Volljährigkeit in Begleitung im ganz normalen Straßenverkehr mitschwimmen. Eine Regelung, die sowohl Fahrlehrer Rieker als auch Verkehrswächter Klett empfehlen. „Das hat sich sehr bewährt“, sagt Klett, „wer das macht, baut später seltener einen Unfall und fährt sicherer.“ Beim Bundesverband der Fahrlehrer denke man deshalb schon weiter, sagt Rieker – an den Führerschein mit 16 Jahren.

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Erstellt:
21.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 34sec
zuletzt aktualisiert: 21.04.2016, 01:00 Uhr

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