Horb · Digitalisierung

Im Tal ohne Balken

Die Stadt Horb schickt sich an, das Funkloch in Dießen, Dettlingen und Bittelbronn zu stopfen. Eine Aktion der Telekom könnte helfen, das Verfahren zu beschleunigen. Doch auch in Mühringen und Talheim herrscht noch immer Funkstille.

13.12.2019

Von Mathias Huckert

Die Mobilfunkantenne auf dem HohenbergBild: Karl-Heinz Kuball

Die Mobilfunkantenne auf dem HohenbergBild: Karl-Heinz Kuball

Auf dem Hochberg zwischen Bittelbronn, Dettlingen und Dießen soll er stehen. Zehn Meter höher als die Bäume ringsum: Sie nehmen Kohlendioxid auf, er wird Radiowellen abgeben. Bis es soweit ist, lässt es sich im Dießener Tal so richtig gut abschalten: Wälder, Wanderwege und Gewässer laden zum Verweilen im Naturschutzgebiet ein. Das Smartphone kann dabei getrost in der Tasche bleiben. Denn in den drei Ortsteilen suchen etwa 1500 Einwohner regelmäßig die Balken auf ihren Handys, weil das Tal in einem Funkloch liegt. Die Funkloch-App der Bundesnetzagentur bietet eine Gesamtübersicht der bundesweiten Verfügbarkeit von Mobilfunknetzen. In Dießen zeigt die Anwendung: Es gibt kaum Empfang, geringfügig findet sich ein Signal in der Stärke des Mobilfunkstandards der zweiten Generation. Der stammt aus dem Jahr 1992 – und eignet sich hauptsächlich zur Telefonie. E-Mails checken, im Internet surfen oder Whatsapp-Nachrichten versenden ist im Tal ohne Balken
nicht möglich.

Um Abhilfe zu schaffen, hatte die Stadtverwaltung von Horb vor einem Jahr einen Vertrag unterzeichnet, der den Bau eines Sendemastes auf dem Hochberg vorsieht. Die Pläne dazu stammen vom Mobilfunkanbieter Vodafone, die Telekom hatte damals ebenfalls Interesse bekundet, das Tal großflächig mit Mobilfunk abzudecken.

Hohe Kosten und Fledermäuse

Laut Dießens Ortsvorsteher Fridolin Weckerle läuft derzeit noch immer das Genehmigungsverfahren für den Turm. 18 Monate könnte es noch dauern, bis mit dem Bau für den 40 Meter hohen Mast begonnen wird. Bis die ersten Radiowellen ins Tal geschickt werden, dürfte noch mehr Zeit vergehen. Weckerle sieht das nach jahrelanger Diskussion gelassen: „Wir sind da stressresistend und einfach froh, dass sich was tut“.

Sollte sich bald etwas tun, ist die Auswirkung auf das Naturschutzgebiet ungewiss: 500 Exemplare des großen Mausohrs – einer Fledermausart – leben in Dießen. Inwieweit das elektromagnetische Feld des zukünftigen Mobilfunkmastes die Tiere stört, ist nicht erforscht. Der Bau würde Bohrungen von bis zu 30 Metern Tiefe verlangen – und könnte laut Vodafone bis zu 200 000 Euro kosten.

Der Datenhunger wird auch in Bittelbronn deutlich. Der Empfang ist ähnlich dürftig wie im Nachbarort, doch man ist optimistisch, was den neuen Sendemast angeht: „Wenn es 2020 soweit ist und auch noch andere Anbieter miteinbezogen werden, wäre das toll“, sagt Ortsvorsteher Hans Schmid. Er kennt in Bittelbronn beide Seiten: Solche, die sich vor der Strahlung fürchten und solche, die auf Balken hoffen. Schmid gehört zu Letzteren. Er lobt das Vorgehen der Stadt Horb, spricht von „ausreichender Unterstützung“ beim Mobilfunkausbau, der letztlich auch von den Netzbetreibern abhängt. Dem gegenüber steht die Vertretung von Horbs nordöstlichem Ortsteil Mühringen. Dort klafft ein weiteres großes Funkloch – und Ortsvorsteherin Monika Fuhl und ihre acht Ratskollegen fühlen sich im Stich gelassen. Sie spricht von einem Drama: „Eine dermaßen schlechte Verbindung ist im stärksten Industrieland Deutschlands nicht tragbar.“ Weil die Horber Stadtverwaltung abblocke, nicht auf E-Mails und kaum auf Anrufe aus Mühringen reagiere, handeln die Ortsvertreter selbst: Sie suchen Kontakt zu den Anbietern, konnten zumindest die Installation eines Signalverstärkers an der Antenne auf dem Horber Hohenberg erwirken.

Telekom jagt Funklöcher

Zuletzt hatte sich der Horber Gemeinderat in seiner November-Sitzung für das Stopfen der Funklöcher in den 17 Teilorten stark gemacht: Horb wird sich gemeinsam mit der Telekom auf die Jagd nach den Funklöchern machen. Bei der Aktion „Wir jagen Funklöcher“ besteht für Horb die Möglichkeit, fernab des geplanten Netzausbaus Mobilfunklöcher schließen zu lassen. Man will die Aktion nutzen, um vor allem das Dießener Tal mit Mobilfunk ausstatten zu lassen. Mühringen und Talheim wurden bei der Bewerbung laut Verwaltung nicht berücksichtigt.

Die Stadt bezeichnet die Aktion auf Nachfrage der SÜDWEST PRESSE als „Tropfen auf den heißen Stein“: „Die Unternehmen haben mit der Ersteigerung der jeweiligen Mobilfunkfrequenzen einen Versorgungsauftrag, dem sie bislang nicht nachgekommen sind“, erklärt Horbs Pressesprecher Christian Volk. Auch impliziere der Name der Aktion, dass das Mobilfunkunternehmen nichts von den Funklöchern in der Region wisse: „Die Stadt Horb macht seit Jahren auf die schlechte Mobilfunkversorgung im Dießener Tal aufmerksam, da hätte die Telekom schon längst einen Ausbau, auch ohne medienwirksamen Wettbewerb, vornehmen können“. Sollte das Tal für eine Förderung durch die Telekom in Frage kommen, wäre der Ausbau – wie auch vom Konkurrenten Vodafone – erst bis Ende 2020 möglich. Egal wer am Ende Horbs größtes Funkloch stopft: Das Tal hätte dann seine Balken.

Horbs Funklöcher

Das Dießener Tal umfasst die Ortsteile Dießen, Dettlingen und Bittelbronn und ist Horbs größtes Funkloch. Nur schwaches bis gar kein Mobilfunksignal haben Nutzer außerdem in Mühringen und Talheim. Die Stadt Horb ist in Kontakt mit den zur Standortfindung beauftragten Mobilfunkbetreibern. Ein großes „Funkloch“ konnte durch die Neuerrichtung eines Mobilfunkmasten der Telekom in Dettensee geschlossen werden.

Zum Artikel

Erstellt:
13.12.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 13.12.2019, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!