Oscar-Gewinnerin Caroline Link erzählt vom Zerfall einer Familie nach dem Selbstmord des Sohnes.

Im Winter ein Jahr

Oscar-Gewinnerin Caroline Link erzählt vom Zerfall einer Familie nach dem Selbstmord des Sohnes.

23.11.2015

Von pme

14.09.2015 Im Winter ein Jahr
© null 02:08 min

Was hätte das für ein großartiger Film werden können! Klasse Schauspieler, eine gute Regisseurin, der Mut, sich Zeit zu lassen, auf poetisch-psychologischen Realismus und die sensible Durchdringung einer familiären Situation zu setzen, sich keine billige Aufmerksamkeit durch eine „packende? story zu erkaufen.

Es ist dann doch kein ganz großer Film geworden, den Caroline Link da aus Scott Campbells „Aftermath? gemacht hat. Aber von vorn, die Familie: Die schicke Eliane und ihr Mann Thomas, erfolgreicher Wissenschaftler und Sachbuchautor. Tochter Lilli studiert Tanz und Gesang. Sohn Alexander, immer fröhlich, Mammas Liebling. Der Film beginnt, nachdem sich Alexander umgebracht hat. Niemand kann es sich erklären. Die Mutter verdrängt es zum Jagdunfall. Und lässt sich von einem Maler ein Doppelporträt ihrer Kinder anfertigen.

Also sitzt Lilli dem Maler Max Porträt, der durch sie nach und nach das Familienpsychogramm kennenlernt ? und mit ihm der Zuschauer. Der Maler: Sepp Bierbichler, zurückhaltender und verletzlicher als sonst, aber mit gewohnter Wahnsinnsruhpräsenz. Lilli: Karoline Herfurth, wunderhübsch zwischen kühl-widerspenstig und hilflos- anhänglich. Die sind allein schon das Eintrittsgeld wert. (Und natürlich gibt?s eine zarte Annäherung zwischen beiden). Aber auch die Eltern sind mit Hans Zischler und Corinna Harfouch hervorragend besetzt.

Mehr und mehr blickt man hinter die Fassade dieser Familie, einer relativ normalen Familie, ein großer Pluspunkt dieses Stoffs: Hier werden keine Unmenschen unter netter Schale entlarvt. Vielmehr geht es um die alltäglichen Hilflosigkeiten, Deformationen unserer bürgerlichen Welt. Die ins Rotieren geraten, wenn so ein Unglück geschieht.

„Im Winter ein Jahr? ist ein Film für Psychoanalytiker. Ein Fest zum Rumdeuten. Und es winkt auch vieles in diesem Film, sogar leitmotivisch wie ein erst klemmendes und dann immer offenstehendes Gartentor. Manches wird eindeutig überstrapaziert wie die Flut der Alexander-Déjà-Vus, die Lilli heimsuchen. Der Künstlernovellen-Plot des Malers, der sich hellsichtig ein richtiges Bild von der Realität macht, kommt einem nicht so ganz neu vor. Und der zarte Beginn einer Aufarbeitung des Geschehens am Ende wirkt, als wärs ein Kompromiss aus Ratlosigkeit.

Für Caroline Link war es der zweite Film nach dem Oscar-gekrönten „Nirgendwo in Afrika?. Das sind die schwierigsten Filme. Und auch wenn Lilli auf dem Bild von Max aussieht wie Liv Ullmann, reicht „Im Winter ein Jahr? nicht an die Filme eines Ingmar Bergmann heran. Trotzdem, bei allen Mängeln immer noch sehenswerter als 80 Prozent aller Kinofilme.

Im Winter ein Jahr

Zum Artikel

Erstellt:
23.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 14sec
zuletzt aktualisiert: 23.11.2015, 12:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.
Michael 05.01.200912:00 Uhr

Sehr inspirierender Film über längst vergessene problemlösende Aufgaben der Kunst...wunderbare Geschichte, sehr aussagekräftige Schauspieler, tolle Bilder, bewegende Musik von Nicki Reiser und Peter Gabriel - sehr fein gearbeitet.

Knauss, Bernhard 02.12.200812:00 Uhr

Eine filmische Meisterleistung mit hervorragenden Schauspielérn

13.11.200812:00 Uhr

exzellent - bester deutscher film des jahres!