Sechs Helfer und zwei Fahrzeuge eilten zum Rettungseinsatz nach Nordrhein-Westfalen

Im Zentrum der Hochwasserkatastrophe

Die Horber Johanniter erleben bei ihrem Hilfseinsatz dramatische Szenen. Die Bürgermeisterin von Erftstadt bedankt sich persönlich bei ihnen.

22.07.2021

Von NC

Zur Unterstützung bei der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen wurden auch die Horber Johanniter alarmiert. Die Horber Einheit ist ein Teil des organisationseigenen „Betreuungsplatz 200 Baden-Württemberg“ (BTP200) der Johanniter-Unfall-Hilfe. Die Fahrzeuge sind speziell für Betreuungs- und Logistikaufgaben ausgerüstet. Vor Ort können die Helferinnen und Helfer die Unterbringung, Verpflegung und soziale Betreuung von bis zu 200 Betroffenen sicherstellen.

Die Horber Johanniter verfügen über eine Ausrüstung für 70 Betreuende. Zusammen mit den Einheiten aus Ravensburg, Aalen, Karlsruhe und Mannheim bekam der BTP200 am Freitag um 17 Uhr den Einsatzbefehl. Die Horber rückten um 18.30 Uhr mit sechs Helfern und zwei Fahrzeugen aus. Nach einer langen Nachtfahrt und Zwischenstopp in Mannheim, wo sich die Einheit zusammenfand, kam man um 4 Uhr in Köln an. Der erste Einsatzbefehl war die Unterstützung der Kölner Feuerwehr mit deren Wasserschadeneinheit aus Köln-Ostheim.

Im Zentrum der Hochwasserkatastrophe

Im Zentrum der Zerstörung

Mit 16 Feuerwehr- und 12 Johanniterfahrzeugen rückten die Helfer nach Erftstadt aus. Die Stadt Erftstadt wurde besonders heftig von der Hochwasser-Katastrophe getroffen. Im Bereitstellungsraum auf der B265 wurde die Sicherung der Einsatzverpflegung beauftragt. Später kam ein neuer Einsatzbefehl, die Betreuung der evakuierten Bürger aus Erftstadt-Bessem. „Wir hatten nicht unbedingt damit gerechnet, im Zentrum der schlimmsten Zerstörungen tätig zu werden. Aber umso größer waren die Wichtigkeit des Einsatzes und unsere Motivation“, so Gerold Imhof, Ortsbeauftragter der Johanniter in Horb.

Zunächst wurde für 1000 Euro aus organisationseigenen Mitteln das Nötigste für die Versorgung eingekauft.

Im Zentrum der Hochwasserkatastrophe
Im Ville-Gymnasium in Erfstadt entstand mit Unterstützung der Johanniter ein riesiger Betreuungsplatz für die vom Hochwasser betroffenen Menschen. Aufgabe war die Sicherstellung der Verpflegung und Versorgung der Betroffenen.

Berge von Kleidern, Schuhen, Hygieneartikeln, Haushaltsgegenstände und Nahrungsmittelspenden wurden abgegeben. Die Einsatzkräfte arbeiteten die ganz Nacht durch, um alles zu sortieren. Die Horber Johanniter richteten eine Kleiderkammer ein. Ein kleiner Supermarkt wurde aufgebaut, in dem sich die betroffenen Bürger kostenlos bedienen durften. Zu Spitzenzeiten waren bis zu 170 Menschen in der Schule, die das Angebot der Johanniter nutzten. Lebenswichtige Medikamente, die bei der Flucht vor den Wassermassen nicht mitgenommen werden konnten, wurden kurzerhand organisiert. „Die Lage vor Ort war dynamisch und die Stimmung wirkte durch das dauernd zu hörende Martinshorn und halbstündlich startende Hubschrauber bedrohlich“, beschreibt einer der Helfer die Stimmung.

Eine weitere wichtige Aufgabe war die psychische Betreuung. Da viele der Betroffene traumatisiert seien, war psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) dringend notwendig. Alle in der Notunterkunft hatten Hab und Gut verloren. Hinzu kam die Ungewissheit, überhaupt wieder in das Heimatdorf Bessem zurückzukönnen. In Bessem kam es zur Unterspülung durch den Fluss Erft, wodurch ein riesiges Loch entstanden ist. Da der Ort auf eher weichem und kiesigem Boden gebaut wurde, erweitert sich dieses Loch immer wieder, der ganze Ort drohte zu versinken. „Die Betroffenen wirken zunächst gefasst. Das ist aber das rheinische Gemüt, immer positiv denken und zusammen halten. Aber spätestens beim dritten Satz der Unterhaltung wird es sehr emotional“, so Gerold Imhof.

Ums Leben gekämpft

Die 72-jährige Erika M. konnte nur ihren Rollator und ihren in die Tage gekommen Twingo retten, der ihr half, den Fluten zu entkommen. Jetzt ist er kaputt. Sie könnte bei ihrer Tochter, die 200 Kilometer entfernt wohnt, unterkommen. Das will sie aber nicht. Ihr war es wichtig, nochmal ins Haus zu können, um persönliche Dinge zu retten.

Dramatisch waren für die Helfer die Schilderungen, wie die Menschen um ihr Leben kämpften. Die Fluten kamen extrem schnell, innerhalb von nur drei Minuten waren Keller überflutet. Parterrebewohner hatten kaum Zeit, sich zu retten. Eine 69-jährige Portugiesin berichtete, dass innerhalb 15 Minuten ihre Wohnung unter Wasser stand. Sie war erst aus der Reha gekommen, weil sie auf einem Zebrastreifen angefahren worden war, und dann kam auch noch diese Katastrophe. Am meisten Sorge macht sie sich darum, überhaupt wieder eine Wohnung zu bekommen. Da sie schon sehr lange in Bessem wohnte, war die Miete sehr günstig. Die aktuellen Mietpreise – selbst für ein kleines Appartement – kann sie mit ihrer Rente nicht bezahlen.

Bei der Bürgerversammlung der Bessemer Bewohner mit der Bürgermeisterin von Erftstadt, Carolin Weitzel kam es zu einem spontanen Beifall für die Johanniter. „Das war extrem bewegend, keiner konnte mehr die Tränen zurückhalten. Die Menschen hatten ums Leben gekämpft und alles verloren, da war unser Einsatz doch nur selbstverständlich“, so Imhof.

Im Zentrum der Hochwasserkatastrophe
„Wir werden in Gedanken bei den Menschen sein und sie nie vergessen. Emotional hat sich das alles eingebrannt.“ Die Bürgermeisterin bedankte sich bei den Horber Johannitern persönlich, bevor der Einsatz beendet wurde und örtliche Einheiten übernahmen. Wohlbehalten kamen die Helfer am Montagmorgen wieder in Horb an.

Spendenkonto

Die Johanniter bitten darum, keine Sachspenden mehr zu sammeln, da die Lager mehr als voll sind. Die Johanniter-Unfall-Hilfe und „Aktion Deutschland Hilft“ rufen stattdessen zu Geldspenden auf: Stichwort: „Hochwasserkatastrophe“ IBAN: DE94 3702 0500 0433 0433 00 (Bank für Sozialwirtschaft).

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Erstellt:
22.07.2021, 10:01 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 33sec
zuletzt aktualisiert: 22.07.2021, 10:01 Uhr

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