Horb · Einzelhandel

Im schleichenden Niedergang?

Hirschgasse und Marktplatz bluten immer mehr aus: Ein Stadtspaziergang und Antworten der Stadt, was sie dagegen zu tun gedenkt.

17.09.2020

Von Dagmar Stepper

Im schleichenden Niedergang?

Der Bagger gräbt die Schaufel ins Erdreich, er brummt seinen typischen Baggerton. Rot-weiße Absperrzäune verhindern, dass Passanten in die Gräben fallen. Die halbe Hirschgasse ist derzeit wegen Verlegung von Fernwärmeleitungen aufgerissen. Es soll noch bis Anfang Oktober dauern. Eine Mitarbeiterin des Asia-Imbisses, der heute neu eröffnet, schaut missmutig auf die Szenerie. Hier auf der Terrasse zu sitzen und krosse Ente oder scharfe Thaisuppe zu verspeisen, ist bei dem Lärm und dem Anblick nicht gerade verlockend für zukünftige Kunden.

Überhaupt: Die einzige Fußgängerzone von Horb lädt aber auch zu Nicht-Großbaustellen-Zeiten wenig zum Flanieren ein. In der Hirschgasse haben innerhalb kurzer Zeit drei Gastronomen dichtgemacht. Die Eisdiele ist Vergangenheit, genauso wie der Italiener oder das Steak- und Sushi-Restaurant. Einige Läden trotzen dem Trend. Doch sie werden zielgerichtet angesteuert. Fürs Shoppingerlebnis taugt die Hirschgasse nur bedingt.

Das windet sich weiter durch die Stadt gen Marktplatz. Am Unteren Marktplatz hat Foto-Kreidler geschlossen, die Metzgerei Thoma verkauft ihre Waren nur noch in ihrer Kaufland-Filiale. Im ehemaligen Lampenladen in der Marktstraße hat sich ein Bestattungsunternehmen angesiedelt. Oben am Marktplatz lädt Raible-Wohnideen gerade unter dem Motto „Alles muss raus“ zum Flohmarkt vor der endgültigen Schließung. Das Café Kipp wirbt zwar noch mit einer Speisekarte, doch bekanntlich ist es seit zwei Jahren geschlossen. Radfahrer, die sich den steilen Buckel hochschnaufen, sind sprachlos. „Ein Marktplatz ohne Café?!“, die Touristen können es nicht glauben. Wenigstens hat das syrische Restaurant „Morgenland“ in der Bußgasse nun eine Außenbewirtschaftung, die allerdings etwas in der Bußgasse versteckt ist.

Einkaufserlebnis im historischen Gewand – das ist das Erfolgsrezept vieler Städte. Schmucke Läden neben Fachwerkhäusern, Cafés in Sichtweise von Kirchen, wer gerät da als Kunde nicht in Verlockung? In Horb ist geschichtliche Fassade kein Problem, doch mit dem Shopping- und Genießererlebnis hapert es. Die SÜDWEST PRESSE hat bei der Stadtspitze daher nachgefragt, was sie gegen Letzteres zu tun gedenkt. Die Antworten lieferte Stadtsprecherin Inge Weber.

SÜDWEST PRESSE: Die Hirschgasse ist ja die einzige Fußgänger-Zone von Horb. Was plant die Stadt zur Belebung hier?

Stadtsprecherin Inge Weber: Die Anfrage kommt zum jetzigen Zeitpunkt für uns überraschend. Denn gerade im Juli 2020 hat der Gemeinderat eine finanzielle Unterstützung von Händlern und Gastronomen in Höhe von zweimal 60000 Euro beschlossen, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie die zweijährige Sperrung der B32 für die Händler und Gastronomen zu mildern. Gerade in der jetzigen Situation sind alle Akteure ganz besonders darauf angewiesen, an einem Strang zu ziehen und eine positive Atmosphäre zu erzeugen: Stadt, Gemeinderat, Händler, Gastronomiebetriebe, Horb Aktiv, Gebäudeeigentümer – aber auch die Vertreter der Medien durch eine positive Berichterstattung. Für die Hirschgasse gilt das Gleiche wie überall anders in der Stadt. Die Stadt Horb a. N. kann Rahmenbedingungen schaffen, bzw. durch das Einzelhandelskonzept, welches 2019 erneut vom Gemeinderat beschlossen wurde, oder durch die Gestaltung des öffentlichem Raums. Auch die Veranstaltungen im Stadtgebiet haben das Ziel, Kunden in die Innenstadt zu locken – das Ausbleiben der meisten Veranstaltungen dieses Jahr hat gezeigt, wie wichtig sie sind. Das hat der Gemeinderat in seiner Entscheidung zur finanziellen Unterstützung von Handel und Gastronomie ja auch erkannt und alle Beteiligten versuchen nun, gemeinsam das Beste aus der jetzigen Situation zu machen.

Wie können Pächter „ermuntert“ werden, sich in der Hirschgasse anzusiedeln?

Neben den oben genannten Rahmenbedingungen ist sicherlich der Mietpreis als „Fixkosten“ ein wichtiger Faktor. Doch hierbei sind die Eigentümer von Ladenflächen gefragt, die zusammen mit allen anderen Akteuren in der Stadt zusammen agieren müssen.

Betrachtet die Stadtverwaltung nicht mit Sorge die Ausblutung der historischen Kernstadt?

Dass die Situation des innerstädtischen Einzelhandels oder der Gastronomie keine Einfache ist, beobachten wir bereits seit Jahren, umso mehr gilt es, langfristige Ziele im Auge zu behalten. Dieses ist jedoch ein Phänomen, mit dem nicht nur Horb a. N. zu kämpfen hat. Und gerade eine kleine „große Kreisstadt“ wie Horb am Neckar, mit seiner ganz eigenen zerschnittenen Topografie, trifft es natürlich umso mehr. Deshalb hat die Stadt bereits sehr früh Maßnahmen ergriffen, um mit den verfügbaren Mitteln den Status quo zu erhalten. Mit dem Bau des Einkaufszentrums konnten zumindest die Verkaufsflächen innerhalb der Innenstadt stabil gehalten werden. Das Einzelhandelskonzept schafft verlässlich Planungssicherheit für mögliche Investoren und Betreiber.

Wagen wir den Blick in die Zukunft. Wie gut stehen die Chancen von Horb?

Mit dem Innenstadtwettbewerb wurde die städtebauliche Grundlage gelegt, um den öffentlichen Raum nachhaltig und zielgerichtet zu entwickeln. Seither ist es der Stadt bereits gelungen, entscheidende Immobilien zu erwerben (Stadtapotheke). Mit dem Bau der Hochbrücke und der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt wird sich auch die verkehrliche Entlastung positiv auf die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt auswirken. Mit dem Erwerb des ehemaligen Cafés Kipp hat die Stadt auch eine Immobilie auf dem Marktplatz erworben und geht dort erstmalig den Weg, ein Gastronomie- bzw. Nutzungskonzept zu entwickeln um dafür auf dem Markt einen Betreiber zu finden. Manche der Maßnahmen wirken erst in einigen Jahren, jede Verbesserung beginnt aber mit dem ersten Schritt.

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Erstellt:
17.09.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 37sec
zuletzt aktualisiert: 17.09.2020, 01:00 Uhr

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