Die Welt ist eine Hölle auch in Ulrich Seidls bislang humanstem Film.

Import Export

Die Welt ist eine Hölle auch in Ulrich Seidls bislang humanstem Film.

24.11.2015

Von che

Ab 30. Mai 2008 als Kauf-DVD

Ulrich Seidls letzter Spielfilm Hundstage begab sich während einer Hitzewelle. Im neuen ist es durchgängig kalt und grau. Für die Menschen in der furchterregenden Höllenwelt des österreichischen Regisseurs macht das keinen Unterschied: sie sind sommers wie winters Verdammte dieser Erde, die sich jedoch keine Hoffnung auf ein Morgenrot machen dürfen. Wer auf Wohlfühl- und Mutmach-Filme steht, sollte „Import Export? tunlichst meiden.

Wie Fatih Akin in Auf der anderen Seite erzählt Seidl von gegenläufigen Reiserouten im ganz und gar nicht vereinten Europa. Olga ist Krankenschwester in einer verwahrlosten ukrainischen Industriestadt, die sich nur mit pornografischen Dienstleistungen für eine brutalgeile Internet-Kundschaft über Wasser halten kann. Als eine Freundin sie nach Wien einlädt, scheint es wie das große Los. Doch dort angekommen schlagen ihr von Seiten der Eingesessenen nur Kälte und Gemeinheit entgegen. Verglichen mit den Insassen einer geriatrischen Klinik, wo sie als Putzkraft landet, ist Olga freilich ein Glückspilz.

Die zweite Geschichte beginnt in Wien. Pauli zählt zu jener Sorte Mensch, die das Unglück magisch anziehen. Sein neuer Job als Wachmann führt zu einer Serie von Demütigungen inklusive Rauswurf. Dann nimmt ihn sein Stiefvater mit zu Botenfahrten in die Slowakei und in die Ukraine, die Seidl wie die Dritte Welt zeichnet. Hier kann selbst ein westlicher Prekarier das Alphatier markieren, doch Pauli ist nur angewidert vom hemmungslosen Herumhuren seines Vaters.

War Seidl bislang als Zyniker verschrien, kann er nach diesem Film als mitfühlender Humanist durchgehen. Seine Protagonisten, die sich übrigens nie begegnen, sind gut bis fast zur Selbstaufgabe; unfähig, die erlittenen Erniedrigungen nach unten weiterzugeben. Ob sie damit besser oder schlechter fahren als die wildwütigen Wolfsmenschen, bleibt offen.

Stilistisch verschränkt der Film eisesstarre Symbolbilder mit exzessiv-realistischen Alltagsszenen, die an Drastik nichts zu wünschen übrig lassen. Das gilt sowohl für die Sequenzen vom entmenschlichten Sexmarkt (Ost) wie von der Notverwahrung Pflegebedürftiger (West). Seidls Hölle hat keine Grenzen.

Siehe auch: TAGBLATT-Interview mit Ulrich Seidl über "Hundstage"

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 02sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Ulrich Seidl 10.11.200712:00 Uhr

Guter film Punkt

Dr.Chanel 31.10.200712:00 Uhr

Grenzwertiger und teilweise überschrittener Radikalrealismus. Keine Sekunde Langeweile und keine Sekunde Unterhaltung, der Film ist groß !

Sebastian Selig 24.10.200712:00 Uhr

Fuck. Was für ein verdammtes Meisterwerk.