In Deutschland gibt es 58 kommunalpolitische Frauenlisten. Allerdings nur in Baden-Württemberg, Baye

09.10.2017

Von Dunja Bernhard

Bei der offiziellen Begrüßung am Samstagmorgen ging es zumindest der Sitzordnung nach noch recht förmlich zu. Bilder: Bernhard

Bei der offiziellen Begrüßung am Samstagmorgen ging es zumindest der Sitzordnung nach noch recht förmlich zu. Bilder: Bernhard

In Deutschland gibt es 58 kommunalpolitische Frauenlisten. Allerdings nur in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und Sachsen. 60 Vertreterinnen, vor allem aus dem Südwesten, kamen zum 29. Bundeskongress der Frauenlisten nach Horb. Die jüngsten Bundestagswahlen haben gezeigt, dass Frauen zwar politisch exponierte Stellungen erreichen können, heißt es in der Presseerklärung, von einer gleichberechtigten Teilhabe aber auch 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts noch keine Rede sein könne.

„Wir stehen vor großen Herausforderungen“, sagte die Freudenstädterin Martina Kober, Vorsitzende von „Frauen in den Kreistag“. Die Kongressteilnehmerinnen setzten sich in Vorträgen und Workshops damit auseinander, wie Frauen die zunehmend technisierte Arbeitswelt mitgestalten können, wie sie sich in Sozialen Medien besser präsentieren können und wie sie klarer kommunizieren. Claudia Wallner sprach über den „langen Weg zurück in den Beruf“.

Nur ein Viertel Frauen

Frauen sind in politischen Gremien deutlich in der Minderheit. In Gemeinderäten liegt ihr durchschnittlicher Anteil bei 25 Prozent – Tendenz sinkend. Dieser Trend reicht bis in die große Politik. Im neuen Bundestag sind 31 Prozent der Abgeordneten weiblich. Im vorigen Bundestag lag der Frauenanteil noch bei 37 Prozent.

Die Jugend wähle vernünftiger, sagte Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger. Zumindest beim Horber Jugend-Gemeinderat. Da sei die Verteilung paritätisch.

Da sei die Frage erlaubt: Sind Frauenlisten ein Auslaufmodell? Viele der Kongressteilnehmerinnen kennen sich seit über 20 Jahren. „Wir sind zusammen alt geworden“, resümierte eine Frau am Sonntag. Würden sie es aushalten, wenn sich die Gruppe verändere, fragte sie ihre Kolleginnen. Denn dem Gewohnten und der Vertrautheit steht ein dringender Wunsch gegenüber: „Wir wollen nicht aussterben.“ Der Workshop „Frauenpolitik ein Auslaufmodell?“ brachte das Dilemma auf den Tisch. Wenn junge Frauen dazu kämen, „müsst ihr sie auch machen lassen“, sagte Workshop-Leiterin Claudia Wallner. Damit sich eine geschlossene Gruppe verändere, müsse mindestens ein Drittel neu dazu kommen.

Bisher ist diese Chance oder auch Bedrohung aber nur eine Theorie, denn die Workshopteilnehmerinnen mussten noch ein Manko erkennen: „So richtig sexy ist unser Angebot nicht.“ Sie seien beseelt von ihren Visionen, sagte eine Teilnehmerin. „Wir bringen es aber nicht rüber, warum es sich lohnt, bei uns mitzumachen.“

Die Methoden, auf sich aufmerksam zu machen, haben sich im Lauf der Jahre verändert. „Früher sind wir auf die Straße gegangen, haben einen Stand aufgebaut und demonstriert“, sagte Susanne Berger, Präsidentin des Dachverbands der Frauenlisten in Baden-Württemberg. „Das machen die heute nicht mehr.“ Der Informationsfluss läuft über digitale Medien. Dort müssten sie sich hinbegeben – für einige Teilnehmerinnen Neuland.

Sprachliche Gleichberechtigung

Frauenliste, das klingt für manche Bürgerin nach Feminismus. Denn Männer sind von diesen Wahllisten gänzlich ausgeschlossen. Paritätische Wahllisten, auf denen zu gleichen Teilen Männer und Frauen stehen, werden immer mehr gefordert. Dort wollten sie auch hin, sagte Kober. Eine Frauenliste aufzustellen und Frauen aufzufordern, Frauen zu wählen, ist zunächst einmal die Möglichkeit, mehr Frauen in die Gremien zu bekommen. Denn nur wenn Frauen dort vertreten sind, können sie die Belange von Frauen vorbringen. Ein weiterer Vorteil von Frauenlisten ist, dass beim Ausscheiden einer Kandidatin eine Frau nachrückt. Allerdings führten auch paritätisch besetzte Listen dazu, dass mehr Frauen in den Gremien sitzen. Das zeigten Erfahrungen aus Frankreich oder von den Grünen.

Für mehr Gleichberechtigung setzen sich die Frauenlisten auch in der Sprache ein. Die Möglichkeit und auch die Selbstverständlichkeit, dass Frauen ebenso gemeint sind wie Männer, soll so mehr ins Bewusstsein gerückt werden. Birgit Uhlworm aus Königswusterhausen berichtete, dass in ihrer Gemeinde die Hauptsatzung in der männlichen Form und die Geschäftsordnung in der weiblichen Form abgefasst wurde.

Oberbürgermeister Peter Rosenberger sagte bei seiner Begrüßung: „Es ist gut, dass Sie sich hier treffen.“ Im Horber Gemeinderat seien von 32 Gremiumsmitgliedern nur acht Frauen. Im Kreistag sehe es mit dem Frauenanteil noch schlechter aus. Ideen von außen, das zu ändern, fruchteten jedoch nicht unbedingt. Die Horber Verwaltung erstattet Kinder-Betreuungskosten, die für Sitzungszeiten entstehen. Dieses Angebot werde kaum genutzt, sagte Rosenberger. Unter den 14 Bewerbern für das Bürgermeisteramt sei keine Frau gewesen. „Machen Sie Druck. Sagen Sie, was Sie wollen“, forderte er die Frauen auf. Aber noch ein Tipp: „Nicht jeder Ihrer Kollegen ist ein Gegner. Sehen Sie ihn nicht so an.“

Stadtführungen, ein Besuch im Künstlerhaus, eine Comedy-Theater-Show und gemeinsame Essen rundeten das von den drei Frauenlisten Seewald, Alpirsbach und “Frauen in Kreistag“ organisierte Programm ab.

In der Abschlussrunde am Sonntag waren Austausch und Rückblick sehr persönlich.

In der Abschlussrunde am Sonntag waren Austausch und Rückblick sehr persönlich.

Oberbürgermeister Peter Rosenberger war nicht bange unter 60 Frauen. Nach der Begrüßung blieb er noch zum ersten Vortrag. Neben ihm (von links) Susanne Berger und Martina Kober.

Oberbürgermeister Peter Rosenberger war nicht bange unter 60 Frauen. Nach der Begrüßung blieb er noch zum ersten Vortrag. Neben ihm (von links) Susanne Berger und Martina Kober.

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Erstellt:
09.10.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 16sec
zuletzt aktualisiert: 09.10.2017, 01:00 Uhr

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