Fahrbare Hühnerställe boomen in der Region

In den Wiesen bei Derendingen wuseln 200 Legehennen und ein weißer Hahn herum

Ein Besuch bei 200 Legehennen auf ihrer Weide am Ortsrand von Derendingen wenige Tage vor dem Osterfest.

15.04.2017

Von Dorothee Hermann

Mit Gras und Getreideschrot fit für die Ostereierproduktion: Weidehühner der Rasse Warren SSL in Derendingen.Bild: Metz

Mit Gras und Getreideschrot fit für die Ostereierproduktion: Weidehühner der Rasse Warren SSL in Derendingen.Bild: Metz

Sie sind wichtige Lieferanten für das Osterfest: Hühner. Im Landkreis Tübingen bekommen auch Nicht-Landwirte die eierlegenden Scharrvögel wieder häufiger zu sehen: Etwa in den Wiesen bei Derendingen, wo seit ein paar Wochen 200 Legehennen und ein weißer Hahn herumwuseln – wenn sie sich nicht gerade in ihren fahrbaren Stall, ein sogenanntes Hühnermobil, zurückgezogen haben. Die Tiere gehören dem 24-jährigen Nebenerwerbslandwirt Martin Beuter, im Hauptberuf Industriemechaniker.

Sein Hühnermobil ist nicht das einzige in der Region. Am Kreuzberg im Tübinger Westen, in Unterjesingen, auf den Härten, im Steinlachtal, in Hailfingen und Seebronn stehen ebenfalls welche. „Seit ein paar Jahren gibt es einen richtigen Boom, nicht nur im Kreis Tübingen, sondern in ganz Baden-Württemberg“, weiß Michael Bilger, Leiter der Abteilung Landwirtschaft, Baurecht und Naturschutz im Tübinger Landratsamt.

„Es ist ein herrliches Bild, wenn man die Hühner draußen sieht. Die Leute gehen extra hin.“ Für den Agrar-Ingenieur ist diese Form der Geflügelhaltung nicht ganz neu: Schon vor 100 Jahren gab es den Hühnerwagen, berichtet Bilger. „Den hat man nach der Getreideernte auf die Äcker gestellt.“ Die Hühner pickten auf, was noch übrig war.

Weidehühner bieten eine gewisse Ergänzung zur Großhaltung und ein Zusatzeinkommen für Landwirte, sagt Bilger. Der fahrbare Stall lässt sich für konventionelle oder Bio-Haltung nutzen. Doch den Gesamtbedarf an Eiern in Deutschland können Hühner mobile nicht decken, betont er. „Das funktioniert nur für Direktvermarktung. Discounter kann man mit diesen Mengen nicht
beliefern.“

Der Hühnermist sei kein Problem, so Bilger, denn die Hühnermobile werden regelmäßig umgestellt. „Das ist ganz normaler Dünger, den man sonst auch ausbringen würde.“ Sobald die Hennen ein Stück Wiese abgefressen haben, steht ebenfalls ein kleiner Umzug an. „Wenn das Gras stark wächst, wie im Frühjahr, braucht man weniger Fläche. Wenn das Graswachstum im Herbst nachlässt, benötigt man mehr Fläche.“ Bei Stallpflicht – wie im vergangenen Winter aufgrund des Vogelgrippe-Alarms – können die Hühner für eine gewisse Zeit in den beweglichen Ställen bleiben.

Auf dem Boden des Hühnermobils liegen Hackschnitzel und Stroh, „damit die Hühner ihren Scharrtrieb ausleben können“, erläutert Nebenerwerbslandwirt Martin Beuter. Weiter oben finden die Hennen Sitzstangen, Futtertröge, Wasserkanister und Lege-Nester. Die Rasse Warren SSL produziert ausschließlich braune Eier, die der 24-Jährige morgens und abends einsammelt. Im vergangenen Jahr hat er die familieneigene Landwirtschaft, zu der außer den Hennen auch Mastrinder gehören, von seinem Vater übernommen. „Ich bin damit aufgewachsen. Mir macht das Spaß.“ Zuvor hatte die Familie 50 Hühner, die Eier für den Eigenbedarf und Nachbarn produzierten.

Die Hennen auf der Derendinger Weide fressen Gras. Zusätzlich bekommen sie Getreideschrot aus Weizen und Mais. „Sonst hätten sie nicht genug Energie, um konstant Eier zu legen“, sagt Beuter.

Einmal pro Woche bringt er den Hühnern Futter, säubert den fahrbaren Stall und bringt den Hühnermist weg. Zaungäste bittet er dringend, die Tiere nicht zu füttern. „Ein Huhn braucht die Vitamine und Mineralien aus dem Futter. Sonst neigen sie zum Federpicken.“ Deshalb sollen sich die Hennen am Futter satt fressen und nicht am Brot von Besuchern. Und: „Man hat keinen Überblick, was die Leute füttern.“

Ein mobiler Zaun sichert das Gelände, damit kein Fuchs hineingelangt. Der Zaun zieht sich auch quer durch das nach oben offene Gehege, damit Raubvögel wie der Habicht weniger Angriffsfläche haben. „Hier ist glücklicherweise kein Habicht-Gebiet“, so Beuter. Nachts sind die Hühner ohnehin im Stall in Sicherheit. Auch tagsüber können sie jederzeit hinein. Fast nie sieht man alle gleichzeitig auf der Wiese. „So soll es auch sein. Sie sollen sich aussuchen, wo sie sein möchten.“

Die Tiere passen auch selbst auf sich auf: „Sie sind sehr aufmerksam und sehr schreckhaft“, hat der 24-Jährige beobachtet. Wenn mehrere Vögel im Anflug sind oder ein Hubschrauber heranbrummt, „verstecken sie sich sofort“. Auch das Wetter lässt Hühner nicht kalt: „Sie sind eher empfindlich gegen Hitze als gegen Kälte.“

Die Eier verkauft Beuter in drei Größen in seinem Lebensmittel-Automaten in der Derendinger Waldstraße. Nach zwölf bis 14 Monaten lässt die Legeleistung einer Henne nach. „Dann kommt eine neue Herde.“ Möglicherweise wandern die diesjährigen Ostereier-Lieferanten dann als Suppenhühner in den Kochtopf.

Tiergerecht wären Rebhuhn-Verhältnisse

Mehr Lebensqualität für Hühner und mehr Aufwand für Landwirte – diese Stichworte verbindet Katharina Weiß von der Landwirtschaftsabteilung im Tübinger Landratsamt mit dem Hühnermobil. Doch sie sieht auch Nachteile: „Hühner sind soziale Wesen, die ihre Hackordnung festlegen. Wenn es viele sind, die Zugang zueinander haben, kann das blutig ausgehen“, warnt die Agrar-Ingenieurin. Lebten hingegen fünf bis sieben Hühner im Käfig, sei die Rangordnung schnell festgelegt. „Sie sind voreinander geschützt.“ Wirklich tiergerecht wären Rebhuhn-Verhältnisse, bei denen ein bis zwei sogenannte Ketten von etwa sieben Tieren in einem Gebiet von zwei bis drei Quadratkilometern leben. „Das Rebhuhn ist eine Urform der Hühner.“