Das Glück des kleinen Noah

In der Frauenklinik kam das landesweit erste Retransplantations-Baby zur Welt

Am Mittwochabend erblickte in der Tübinger Frauenklinik ein kleiner Junge das Licht der Welt, der eines von fünfzehn Babys ist, die bisher in Deutschland auf ähnliche Weise zur Welt kamen. Der Geburt von Noah Gabriel ging eine Retransplantation von Eierstockgewebe in die Beckenwand der Mutter voraus.

08.04.2016

Von Ulla Steuernagel

Wie man sieht: Mutter und Kind sind wohlauf. Der kleine Noah Gabriel und seine Eltern sind hier von den behandelnden Ärzten umringt: Prof. Diethelm Wallwiener, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik (links hinten), Dr. Harald Abele, Leitender Oberarzt für Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin (hinten rechts) und Dr. Melanie Henes, Leitende.Oberärztin der Hormon- und Kinderwunschsprechstunde (vorne rechts).Bild: Vorbrugg

Wie man sieht: Mutter und Kind sind wohlauf. Der kleine Noah Gabriel und seine Eltern sind hier von den behandelnden Ärzten umringt: Prof. Diethelm Wallwiener, Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik (links hinten), Dr. Harald Abele, Leitender Oberarzt für Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin (hinten rechts) und Dr. Melanie Henes, Leitende.Oberärztin der Hormon- und Kinderwunschsprechstunde (vorne rechts).Bild: Vorbrugg

Tübingen. Als erste Klinik in Baden-Württemberg nahm die Tübinger Universitäts-Frauenklinik einen derartigen Eingriff vor. Das Besondere an diesem Baby ist: Es wurde nach der Retransplantation von Eierstockgewebe geboren.

Die Mutter des Kindes war 2011 an einem Ewing-Sarkom erkrankt, der zweithäufigsten Art von Knochenkrebs. Die Patientin Martina Müller, der Name wurde auf Wunsch der Frau geändert, benötigte daraufhin eine Chemotherapie. Für Frauen, die sich in jungen Jahren einer intensiven Chemo- oder Strahlentherapie unterziehen müssen, ist dabei besonders bitter, dass ihnen zugleich ein Verlust der Fruchtbarkeit droht. Denn die hochdosierten Therapien können die Funktion der Eierstöcke schädigen.

Auch weitere

Schwangerschaften

Die damals 25-jährige Frau entschied sich, kurz vor Beginn der Chemotherapie in der Universitäts-Frauenklinik eigenes Eierstockgewebe entnehmen und einfrieren zu lassen. Prof. Diethelm Wallwiener, Ärztliche Direktor der Tübinger Frauenklinik, spricht voller Hochachtung von dieser Entscheidung. Nicht jede Frau schaffe es, kaum mit einer Krebsdiagnose mit möglicherweise tödlichem Ausgang konfrontiert, auch an ihre künftige Fruchtbarkeit zu denken. Dabei ist der Eingriff der Gewebeentnahme minimal invasiv und für die Patientinnen wenig belastend, er dauert in der Regel kaum länger als eine halbe Stunde.

Martina Müllers Tumortherapie erwies sich als erfolgreich, und erwartungsgemäß wurde bei ihr nach einiger Zeit der Kinderwunsch aktuell. Der Zyklus trat jedoch nicht wieder ein und so machte sie von der Möglichkeit Gebrauch, das eingefrorene Gewebe wiedereinsetzen zu lassen.

Hierbei werden über eine Bauchspiegelung kleine Streifen des entnommenen Gewebes in die Beckenwand eingepflanzt. Dieses Gewebe nimmt dann in der Regel schon nach wenigen Wochen seine Funktion auf und beginnt Eizellen zu produzieren. Durch die Nähe zum Eileiter sind so Schwangerschaften möglich. So auch bei Martina Müller, die am Mittwochabend den kleinen Noah Gabriel nach einer komplikationsfreien Schwangerschaft auf natürliche Weise gebar. Mit der Retransplantation verfügt sie jetzt auch, so Wallwiener, „über einen ganz normalen funktioniertenden Eierstock“ und kann weitere Kinder zur Welt bringen.

Die Kasse übernimmt

die gesamten Kosten

Warum bisher erst so wenige junge Krebspatientinnen diese Chance ergriffen, ihre Furchtbarkeit wiederzuerlangen, erklärt Wallwiener mit mangelnder Aufklärung durch die behandelnden Mediziner. Das interdisziplinäre Comprehensive Cancer Center Tübingen biete dagegen die entsprechenden Fachleute und die nötige Logistik für einen schnellen Eingriff. Bei Martina Müller klappte die Kooperation zwischen den Abteilungen so gut, dass ihre Krebsbehandlung sich nur um zwei Tage verzögerte. Auch die Kosten eines solchen Einfrierens von Eierstockgewebe als fertile Reserve stehen dem Kinderwunsch von Krebspatientinnen nicht im Wege. Die Kasse übernimmt nach einer hochdosierten Chemo- oder Strahlentherapie die gesamten Kosten eines solchen Eingriffs.

Wallwiener wünscht sich, dass Martina Müllers Fall auch anderen Patientinnen Mut macht. Denn: „Nach der ausgeheilten Krebserkrankung muss mit der Retransplantation von Eierstockgewebe die Erfüllung des Kinderwunsches keine Utopie bleiben.“

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Erstellt:
08.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 24sec
zuletzt aktualisiert: 08.04.2016, 01:00 Uhr

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