Wortkarg und bildgewaltig: Wieder ein hinreißendes Werk des letzten großen Melodramatikers.

In the mood for love

Wortkarg und bildgewaltig: Wieder ein hinreißendes Werk des letzten großen Melodramatikers.

24.11.2015

Von che

In the mood for love

Das Melodrama ist ein vom Aussterben bedrohtes Genre. Liebe, die sich nicht erfüllen will und keine Erlösung vor dem Schrecken des Alltags verheißt, lässt sich mit der Spaßgesellschaft schwer vereinbaren. Privates Ungemach, dem nichts Spektakuläres anhaftet, ist eher peinlich. Gäbe es nicht den Regisseur Wong Kar-wai - das Melodrama wäre wahrscheinlich längst ausgestorben.

Die Geschichte von "In the mood for love", dem neuen Film des Hongkong-Chinesen, ist von aufreizender Schlichtheit. Zwei verheiratete Menschen treffen sich täglich im Treppenhaus. Weil ihre Ehepartner ständig auf Reisen sind, suchen sie beieinander Trost und erkennen allmählich, dass aus Seelenverwandtschaft Liebe geworden ist. Doch die neugierigen Blicke der Nachbarn und ihr verinnerlichter Moralkodex hindern sie am Vollzug. Selbst die Entdeckung, dass sie von ihren Partnern betrogen werden, ändert nichts. Irgendwann trennen sich ihre Wege wieder. Ende.

Wer Wong Kar-wai ("Chungking Express") als Schöpfer extravaganter visueller Achterbahnfahrten in Erinnerung hat, wird sich wundern. Die Einstellungen von "In the mood for love" sind unbarmherzig lang, das Tempo, mit dem sich die Geschichte entfaltet, ist von fast hypnotischer Gemächlichkeit.

Dennoch ist Wongs Bildsprache auch diesmal grandios. Gewöhnliche Accessoires und Schauplätze werden zu monumentalen Symbolen der Einsamkeit: eine Kanne, mit der die Frau täglich zur Suppenküche geht, weil alleine Kochen so fürchterlich ist; eine schäbige Straßenecke, wo die züchtig Liebenden im strömenden Regen Erlösung suchen. Und immer wieder die Gesichter, die geduldig leidend die Vergeblichkeit allen Verlangens signalisieren. Unterstrichen wird die grundstimmige Melancholie durch das artifiziell (gleichsam als vage Erinnerung) rekonstruierte Hongkong der sechziger Jahre. Allenfalls die sanft ironisch eingestreuten Schmachtschlager von Nat King Cole schaffen eine gewisse Distanz zum traurigen Geschehen.

So radikal wie früher Douglas Sirk zeigt Wong die Isolationshaft im bürgerlichen Gefühlsgefängnis, die durch die flüchtig aufscheinende Möglichkeit der Befreiung erst offenbar wird. Und weil sich die Gestaltung ganz der melodramatischen Reinheit unterwirft, wird man "In the mood for love" schon jetzt zu den großen Klassikern seines Genres rechnen dürfen.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 02sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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n.a. 05.01.200512:00 Uhr

grandios - der gute kai-war ist sowieso immer erste sahne wenns um optik und atmosphere geht