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Bauzinstief und die Ursachen

Internationale Einflüsse auf die Bauzinsentwicklung

Die Europäische Zentralbank EZB sieht inzwischen schon seit einigen Jahren immer noch die Notwendigkeit zur Fortsetzung ihrer Geldpolitik. Den Befürchtungen um eine Deflation im europäischen Binnenraum wurde seither mit einem stetigen Senken des Leitzinses und milliardenschweren Anleihekäufen begegnet – sehr zur Freude von potenziellen Hausbauern und Immobilienkäufern, die von ebenfalls sinkenden Bauzinsen profitieren können. Allen Prognosen zum Trotz, die eine baldige Zinswende vorausgesehen haben, bleibt der Zinssatz für Baudarlehen vorläufig auf seinem historisch niedrigen Niveau. Dafür sorgt aber nicht allein die EZB, sondern das Zusammenspiel von Entwicklungen an den internationalen Finanzmärkten und in der Politik.

15.07.2016

Von M. Ray

fotolia.com © Petrus Bodenstaff

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Das Problem des europäischen Binnenmarktes

Der Euro-Währungsraum hat seit Jahren mit zwei schwerwiegenden Problemen zu kämpfen: Der Verschuldung der Mitgliedsstaaten und die niedrige Inflationsrate. Gerade aus letzterer hat sich eine anhaltende Sorge vor einer Deflation entwickelt. Tatsächlich sind die Preise für Lebensmittel, Dienstleistungen, Alkohol und Tabak zwar gestiegen, nimmt man dazu allerdings die niedrigen Öl- und Energiepreise, zeichnet sich im Gesamtdurchschnitt doch ein gesunkenes Preisniveau ab.

Die Befürchtungen bei den Verantwortlichen der EZB gehen seit 2010 dahin, dass sich daraus langfristig eine Deflation entwickeln könnte, mit negativen Auswirkungen auf den Investitionswillen europäischer Unternehmen und damit auf den Binnenmarkt als solchen. Auf der anderen Seite wird mit einem vorsichtigeren Konsumverhalten der Verbraucher gerechnet, die unter Umständen auf weiter zurückgehende Preise spekulieren und größere Anschaffungen vorerst aufschieben. Beides würde in der Konsequenz eine Schwächung der gesamteuropäischen Konjunktur bedeuten.

Daher wurden seither verschiedene Maßnahmen ergriffen, die einer solchen Entwicklung entgegenwirken sollen. Das erklärte Ziel der EZB ist dabei eine Inflationsrate von zwei Prozent, was bislang trotz des Einsatzes aller zur Verfügung stehenden Mittel nicht gelungen ist. Vielmehr ist die Inflationsrate innerhalb der EU zuletzt sogar in einen leicht negativen Bereich abgesunken. Für die Noten- und Zentralbanken ist das Grund genug, ihre bisherige Politik fortzuführen.

 

Die Mittel der EZB

Dazu gehört eine Reihe von Maßnahmen, von denen der Leitzins nur die vielleicht prominenteste, weil medial am häufigsten aufgegriffene ist. Damit legt die EZB die Bedingungen fest, zu denen sich die Kreditinstitute mit neuem Geld versorgen können. Mit der Erhöhung oder Senkung der Zinssätze hat die Zentralbank also ein Mittel, um sowohl auf die allgemeine Zinsentwicklung an den Geldmärkten als auch auf das Preisniveau und die Inflationsrate einzuwirken.

Die gute Seite der Leitzins-Medaille: Baudarlehen bleiben vorerst günstig. / fotolia.com © Eisenhans

Die gute Seite der Leitzins-Medaille: Baudarlehen bleiben vorerst günstig. / fotolia.com © Eisenhans

Vereinfacht ausgedrückt sorgt in dieser Konstellation die Senkung des Leitzinses dafür, dass Kredite insgesamt billiger werden. Dadurch soll die Bereitschaft von Unternehmen gesteigert werden, die günstigen Kredite für Investitionen zu nutzen, was im Idealfall zu einer stärkeren wirtschaftlichen Konjunktur führt. Hierzu trägt in ähnlicher Weise die mit einer Leitzinssenkung verbundene Abwertung der Währung bei: Für Kunden im Ausland werden Waren und Güter so nämlich günstiger, was sich positiv auf die Exportzahlen auswirkt.

Für Privatleute haben diese Regulierungsmechanismen in doppelter Hinsicht Bedeutung: Zum einen bedeutet das allgemeine Senken der Zinssätze einen sehr viel geringeren Ertrag aus Sparguthaben; zum anderen profitieren die Verbraucher aber genauso wie Unternehmen von den günstigen Konditionen bei der Kreditvergabe. Das ist besonders interessant für all jene, die einen Hausbau oder die Anschaffung einer Immobilie ernsthaft in Erwägung ziehen. Solange die EZB ihre Zielsetzung hinsichtlich der Inflationsrate in Europa nicht erreicht, muss wohl weiterhin mit einem niedrigen Zinsniveau gerechnet werden.

Dazu trägt auch der fortgeführte Kauf von Staatsanleihen bei. Mit monatlich 60 Milliarden Euro (seit April 2016 wurde der Betrag sogar auf 80 Milliarden erhöht) soll zum einen für mehr Liquidität für den europäischen Währungsraum gesorgt werden, zum anderen sollen auf diese Weise die langfristigen Zinsen gedrückt werden. Dabei gelten beispielsweise Bundesanleihen ohnehin als vergleichsweise sichere Anlagemöglichkeit, weshalb schon unter – aus Anlegersicht betrachtet – idealen Voraussetzungen nur mit einer geringen Verzinsung gerechnet werden kann. Die hohe Bonitätseinstufung der Bundesrepublik und hohe Steuereinnahmen tragen weiterhin dazu bei, dass die Ausgabe von Bundesanleihen als Finanzierungsmaßnahme für den Staat aktuell weniger wichtig ist. Auch aus diesen Gründen bleiben die Zinssätze entsprechend niedrig.

 

Internationale Einflussfaktoren

In einer globalisierten Welt ist die Entwicklung in der EU aber nicht losgelöst von den internationalen Geschehnissen zu betrachten. So kann die Zinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) durchaus auch Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben. Grundsätzlich hat auch die Fed mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie ihr Pendant in Europa: Es geht um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der USA, wobei die Industrieproduktion und die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu den wichtigsten Indikatoren gehören. Es geht aber ebenfalls um ein stabiles Niveau der Inflation.

Die US-Zentralbank belässt es bei der „Zinswende“ des letzten Jahres und verzichtet auf weitere Leitzinserhöhungen. / fotolia.com © blvdone

Die US-Zentralbank belässt es bei der „Zinswende“ des letzten Jahres und verzichtet auf weitere Leitzinserhöhungen. / fotolia.com © blvdone

Nach Jahren der Niedrigzinspolitik hatte die US-Zentralbank erst im Dezember des vergangenen Jahres eine „Zinswende“ eingeleitet und den Leitzins um 0,25 Prozent angehoben – schon zu diesem Zeitpunkt standen aber weitere Anhebungen im Raum, sollte die Tendenz der Konjunktur positiv auf diese Maßnahme reagieren. Tatsächlich ist diese Reaktion, zumindest in der gewünschten Weise, dann doch ausgeblieben. Hierin liegt einer der Gründe, warum die Fed deshalb vorerst auf Veränderungen des Leitzinses verzichtet.

Ein anderer gewichtiger Grund ist die Unsicherheit an den Finanzmärkten, die der Brexit schon unmittelbar nach dem Votum ausgelöst hat. Für Kreditnehmer mit Bauabsicht muss das allerdings keine schlechte Nachricht sein – im Gegenteil hat der angekündigte Ausstieg der Briten aus der EU einen Run auf sichere Anlagen geführt, selbst wenn die zu erwartenden Rendite bestenfalls niedrig sind. Durch die erhöhte Nachfrage, auch aus dem Ausland, sinken die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen und Pfandbriefe also weiter.

Beide sind aber Orientierungsgrößen für die Bauzinsentwicklung: Der derzeitige Stand der Dinge dürfte demnach nur noch mehr dazu beitragen, dass die Verzinsung von Darlehen auf einem extrem niedrigen Niveau bleibt.

 

Auswirkungen auf die Bauzinsen

Politische und wirtschaftliche Entwicklungen – wie etwa der Brexit und die weiterhin sinkenden Bauzinsen – müssen immer im Zusammenhang betrachtet werden. / fotolia.com © psdesign1

Politische und wirtschaftliche Entwicklungen – wie etwa der Brexit und die weiterhin sinkenden Bauzinsen – müssen immer im Zusammenhang betrachtet werden. / fotolia.com © psdesign1

Garantiert werden kann das jedoch nicht. Der Brexit hat gezeigt, welche Tragweite internationale politische Ereignisse auf die Finanzwelt haben können, dazu kommen auch wirtschaftliche Faktoren wie der Kurs der Rohölpreise oder die Entwicklungen in Schwellenländern wie Brasilien oder der Türkei. Die Negativzinsen für die Kreditinstitute resultieren daher nicht zwingend in niedrigen Bauzinsen für deren Kunden. Denn die Banken könnten höhere Hypothekenzinsen einsetzen, um die Verluste und Zusatzkosten aus den Negativzinsen wieder auszugleichen. Ein ähnliches Mittel zum selben Zweck wären erhöhte Bankgebühren.

Vorläufig sorgen die Schockwellen des Brexit allerdings für sinkende Bauzinsen in Deutschland. Verschiedene Banken wie die Allianz in München, die Direktbank ING-Diba, die Münchener Hyp oder die Postbank haben auf die Abstimmung in Großbritannien mit weiteren Senkungen ihrer Baufinanzierungszinsen reagiert. Von den noch günstigeren Konditionen können Neukunden wie auch bereits langjährig betreute Kunden profitieren – die Banken haben ihre Angebote nämlich nicht nur für Neufinanzierungen nachgebessert, sondern gewähren derzeit auch bei Anschlussfinanzierungen und Forward-Darlehen entsprechende Rabatte.

Dadurch sind selbst bei Laufzeiten von zehn Jahren für ein Baudarlehen unter Umständen Zinssätze von unter einem Prozent möglich. Bei noch kürzeren Laufzeiten, etwa von nur fünf Jahren, liegen die Sätze sogar vergleichsweise deutlich unter dieser Marke. Null-Prozent-Kredite werden vorläufig aber wohl eher Ausnahmen zu Werbezwecken sein, die zudem im finanziellen und zeitlichen Umfang weit entfernt von Baukrediten liegen. Hinzu kommt, dass eine solche Zinsvergabe meist an strikte Bedingungen geknüpft ist. Nichtsdestotrotz lassen sich derzeit aber auch ganz regulär beste Konditionen für die Baufinanzierung aushandeln – die langfristige Entwicklung ist hingegen immer mit gewissen Unsicherheiten verbunden.

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Erstellt:
15.07.2016, 09:37 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 27sec
zuletzt aktualisiert: 15.07.2016, 09:37 Uhr

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