Schmuddeljournalist und Schmuddelstar gehen sich höchst unterhaltsam ans Eingemachte.

Interview

Schmuddeljournalist und Schmuddelstar gehen sich höchst unterhaltsam ans Eingemachte.

23.11.2015

Von che

14.09.2015 Interview
© null 01:43 min

Neun von zehn Journalisten würden sich danach die Finger lecken: einem Exklusiv-Interview mit dem supersexy Star der gerade angesagtesten Fernsehserie. Pierre Peders (Steve Buscemi, auch Regie) ist bloß genervt. Weil er es mit der Wahrheit nicht immer genau nahm, hat man den altgedienten Polit-Korrespondenten ins Showbiz, wo Lügen zum Handwerk gehört, strafversetzt. Entsprechend frustriert und trunken rückt Peders zum Plauderstündchen mit der Jungdiva Katya (Sienna Miller) an, die gerade mit einer Brustverkleinerung die Welt in Atem hält. Einen Film von ihr hat der verbiesterte Intellektuelle noch nie gesehen, und auch sonst lässt er das vermeintliche Doofchen seine ganze Verachtung spüren. Nach ein paar Minuten scheint das Zerwürfnis perfekt, doch irgendwie ziehen sich die Gegensätze so magisch an, dass die beiden eine ganze Nacht lang nicht voneinander loskommen.

Räumlich bewegt sich das Kammerspiel vom Edelrestaurant in Katyas luxuriöses Loft, inhaltlich geht es vom banalen Gekabbel zielstrebig in Richtung psychischen Abgrund. Reizvoll ist der wechselseitige Seelenstriptease vor allem deswegen, weil durchweg offen bleibt, was an den freimütigen oder hinterrücks erschlichenen „Bekenntnissen? wahr und was frei erfundene Aufschneiderei ist. Hat Pierre tatsächlich im Vollsuff seine Frau wegsterben lassen? Ist Sexsymbol Katya in Wirklichkeit ein depressives Nervenbündel kurz vorm Suizid? Mehr als über die Protagonisten erfährt man letztlich über die Mechanismen des Mediengewerbes, wo ein klug platzierter Seelenmakel durchaus der entscheidende Pluspunkt sein kann.

Neben ätzender Satire und Psycho-Horrorshow ist „Interview? (ursprünglich ein Films des 2004 ermordeten Theo van Gogh) aber auch eine (Romantik-)Komödie. Zwischen den Schlägen in die Weichteile lässt es Buscemi in seiner Eigenschaft als Regisseur immer wieder erotisch knistern oder sorgt mit leichtgängigem Wortwitz und kleinen Slapstick-Nummern für willkommene Dämpfer. Kongenial erregen die beiden Schauspieler in fliegendem Wechsel Abscheu und Mitleid, rotieren so souverän zwischen abgebrühtem Zynismus und schuldloser Verstrickung in üble Verhältnisse, dass man als Zuschauer ständig sein Urteil revidieren muss. Und nebenbei erfährt man endlich, warum Männer Frauen so gern in Netzstrümpfen (zappeln) sehen .

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Erstellt:
23.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 03sec
zuletzt aktualisiert: 23.11.2015, 12:00 Uhr

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