„Eine Botschaft gegen Ausgrenzung“
Interview mit Ottmar Fuchs zu Reformationsjubiläum und Ökumene
Hat das Reformationsjubiläum die beiden Kirchen einander näher gebracht? Der lange in Tübingen lehrende katholische Theologe Ottmar Fuchs sieht das so.
Herr Fuchs, wie bewerten Sie das Reformationsjubiläum aus ökumenischer Perspektive?
Ottmar Fuchs: Ich war oft eingeladen zu Vorträgen. In katholischen Gemeinden wurde neu darüber nachgedacht, wie bedeutsam Luther auch für den katholischen Glauben ist. Klar geworden ist mir dabei, dass die Kernerfahrung von Martin Luther, nämlich, dass der Mensch bedingungslos von Gott geliebt wird, ohne Leistung, ohne Werke, oft etwas Neues ist in den Kirchen. Diese Botschaft ist immer wieder durchkreuzt worden durch eine Wenn-Dann-Struktur: Wir müssen dies tun, dann ist Gott gnädig. Zum spirituellen Kern der Rechtfertigungslehre vorzudringen, war nicht immer einfach. Er ist aber für viele Menschen sehr erlösend. Dafür war das Luther-Jahr bedeutend.
Wurde die Veranstaltungsfülle der Kernbotschaft gerecht oder wurde an ihr vorbeigefeiert?
So scharf würde ich das nicht sagen. Doch die Neuigkeit dieser Botschaft war für viele so offensichtlich, dass ich mich gefragt habe: Was wird eigentlich in den Kirchen gepredigt?
Sie beziehen da die evangelische Seite mit ein?
Und das in einer Zeit, da Fundamentalisten Rückenwind verspüren. Ist Luthers Rechtfertigungstheologie eine Botschaft gegen Ausgrenzung?
Ja dann, wenn man den Glauben nicht zur Bedingung der Liebe Gottes macht. Noch immer ist es für manche schmerzhaft anzunehmen, dass Gott Menschen, die anders sind und anders glauben, oder eben auch gar nichts glauben, genau so liebt wie gläubige Menschen. Das durchkreuzt jeden Fundamentalismus. Ein auf Humanität orientierter Staat wird niemals mit heilsegoistischen Religionen kooperieren können. Über das Jubiläum hinaus gilt es jetzt, dieses religionskritische Herz des Christentums stark zu machen.