Horb · Tempolimit

Investitionen in neue Blitzer

Sicherheit für Schulkinder, Lärmschutz oder einfach nur „Abzocke“? Im Horber Gemeinderat wurde hitzig über Geschwindigkeitskontrollen diskutiert.

23.05.2019

Von Philipp Koebnik

Instrument der Abzocke oder sinnvoller Sicherheitsfaktor? An Blitzern scheiden sich die Geister. Archivbild: Benjamin Breitmaier

Instrument der Abzocke oder sinnvoller Sicherheitsfaktor? An Blitzern scheiden sich die Geister. Archivbild: Benjamin Breitmaier

Sie sind für viele Autofahrer ein Ärgernis: Blitzer. Die Anlagen, mit denen die Polizei oder andere Behörden die Geschwindigkeit auf Deutschlands Straßen überwachen, dienen dazu, Unfälle zu verhindern. Doch nicht wenige Bürger vermuten dahinter einfach ein Mittel des Staates, um seine Einnahmen zu erhöhen. Von „Abzocke“ ist die Rede.

Dieses Bild vermittelt auch die Unabhängige Liste Horb (ULH). Als der Horber Gemeinderat am Dienstagabend über eine Änderung der städtischen Konzeption für Geschwindigkeitsmessungen diskutierte, sagte etwa Martin Raible, viele Leute würden von „Wegelagerei“ sprechen. Und Rodolfo Panetta (ebenfalls ULH) meinte: „Die Stadt verdient gut an diesen Blitzern.“ Er halte nichts von diesem „Geschäftsmodell“. Überhaupt, die Leute hätten doch ein Gespür für die richtige Geschwindigkeit – Kontrollen seien unnötig.

Oberbürgermeister Peter Rosenberger verwies darauf, dass es „einen gewissen Druck aus der Bürgerschaft“ gebe, mehr zu kontrollieren. Das Thema sei den Menschen „immens“ wichtig. Daniel Wochner (FD/FW) betonte, er sei „kein Fan“ von Geschwindigkeitskontrollen. Sie seien aber an bestimmten Standorten nötig, um vor allem Kinder zu schützen. Den Ausdruck „Wegelagerei“ nannte er „völlig daneben“. Für die Stadt sei es finanziell ein Nullsummenspiel.

Die ULH hatte den Antrag gestellt, den Blitzer in Bildechingen (am Ortseingang, aus Richtung Eutingen kommend) weiter in die Ortsmitte und den noch recht neuen Blitzer in der Stuttgarter Straße auf Höhe Neckarstraße 10 zu versetzen. An den vorgeschlagenen Standorten könne man mehr tun für die Sicherheit der Fußgänger und auch für den Lärmschutz, weil es dort mehr Anwohner gibt. Die Verwaltung hält hingegen die derzeitigen Standorte für besser geeignet: In Bildechingen würden die Fahrer gleich am Ortseingang sensibilisiert, ihre Geschwindigkeit anzupassen; das erhöhe auch die Sicherheit im Bereich der Schule. Gleiches gelte für die Messanlage in der Stuttgarter Straße. Sie erhöhe ebenfalls die Sicherheit im Bereich der Gutermann-Grundschule. Dem Antrag der ULH-Fraktion stimmten außer ihr selbst nur Gerhard Fassnacht (CDU) zu.

Gerhard Munding (CDU) stellte in der Sitzung am Dienstag den Antrag, am Standort Stuttgarter Straße nur noch stadteinwärts, aber nicht mehr stadtauswärts zu blitzen. OB Rosenberger entgegnete, dass die Leute gerade in diesem Bereich tendenziell zu früh aufs Gaspedal träten, woraus sich ein nicht geringes Gefährdungspotenzial ergebe. Für Mundings Antrag stimmten fünf Räte, darunter Munding selbst und die ULH-Fraktion.

Alfred Seifriz, Vorsitzender der FD/FW-Fraktion, kritisierte die Argumente der ULH als „schwer nachvollziehbar“. Eigentlich gebe es noch zu wenige Blitzer, findet er. Fußgänger und Radler verlangten nach mehr Schutz. Gerade auf der Bildechinger Steige gelte es, hochgefährlichen Überholmanövern ein Ende zu bereiten.

Eigentlich ging es am Dienstag aber um etwas anderes. Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, eine sogenannte semistationäre Geschwindigkeitsmessanlage anzuschaffen, die derzeit gemieteten stationären Anlagen zu erwerben und darüber hinaus 0,75 Stellenanteile in der Bußgeldstelle und 0,15 Stellenanteile im Bereich Kasse und Mahnwesen neu zu schaffen.

Die bisher in der Verwaltungsgemeinschaft Horb, Empfingen und Eutingen genutzte mobile Messanlage ist wegen ihres recht hohen Alters abgängig und soll durch eine semistationäre Anlage ersetzt werden (siehe Infobox). Die Anschaffungskosten belaufen sich auf rund 260 000 Euro brutto; die künftigen jährlichen Kosten (Unterhaltung, Bewirtschaftung, Personal) werden mit zirka 80 000 Euro veranschlagt. Die neue Anlage könne laut Verwaltung „durch die zu erwartenden Mehrerträge durch Bußgelder“ finanziert werden.

Die Stellenschaffungen begründet die Verwaltung mit den zu erwartenden „deutlich höheren Fallzahlen“. Zurzeit würden mobil rund 300 Fälle im Monat beanstandet. Durch die semistationäre Messanlage dürften es künftig 1500 bis 3000 Fälle sein, schätzt die Stadt – also das Fünf- bis Zehnfache.

Finanzierung durch Bußgeldstelle

Im Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft gibt es außerdem acht stationäre Messanlagen: eine in Empfingen, zwei in Eutingen und fünf im Horber Stadtgebiet. Der Betrieb der derzeit geleasten Anlagen kostet die Stadt pro Jahr zirka 360 000 Euro. Der Kauf der acht Blitzer würde mit etwa 520 000 Euro zu Buche schlagen; der Leasingvertrag soll zum Jahresende gekündigt werden. Sowohl diese einmaligen als auch die folgenden laufenden Kosten, die die Verwaltung auf jährlich rund 8000 Euro schätzt, könnten über das Budget der Bußgeldstelle finanziert werden.

Alle Mitglieder des Gremiums außer den drei ULH-Räten und Gerhard Fassnacht (CDU) stimmten schließlich der Beschlussvorlage der Verwaltung zu.

Mobile und semistationäre Messanlagen

Die bisher genutzte mobile Geschwindigkeitsmessanlage bietet der Stadt Horb zufolge nur die Möglichkeit, personell begleitet das Tempo von Fahrzeugen zu messen. Die Gemeinden Eutingen und Empfingen hatten die Stadtverwaltung Horb gebeten, die Geschwindigkeit nicht nur punktuell, sondern auch über längere, begrenzte Zeiträume kontrollieren zu können. Bei einer semistationären Geschwindigkeitsmessanlage handelt es sich um einen Anhänger, der bis zu einer Woche aufgestellt wird und unabhängig von Strom und Betreuung das Tempo rund um die Uhr misst und Verstöße ahnden kann. Das führe zu mehr Flexibilität hinsichtlich Standorten und Messzeitpunkten. An Gefahrenstellen werde damit die Überwachung dauerhaft sichergestellt, gerade auch in den frühen Morgen- und späten Abendstunden.

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Erstellt:
23.05.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 30sec
zuletzt aktualisiert: 23.05.2019, 01:00 Uhr

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