Rottenburg · Kinderschutz im Sport

Ist Hilfestellung übergriffig?

Die Sportwissenschaftlerin Bettina Rulofs plädierte für eine „Kultur der Aufmerksamkeit“.

30.09.2020

Von ST

Über Kinderschutz und sexualisierte Gewalt im Sport referierte kürzlich die derzeit meistzitierte Sportwissenschaftlerin zu diesem Thema: Bettina Rulofs, Professorin an der Universität Wuppertal. Ihren Vortrag im Café Stadtgespräch begann sie mit Daten zur Problematik, die bei den knapp 20 Zuhörer/innen als klare Botschaft ankamen: Sexualisierte Gewalt ist verbreitet im Sport, vor allem im Leistungssport. Eingeladen zum Vortrag hatten der TV Rottenburg, das lokale Bildungsnetz Lobin und die Stadtbibliothek.

Rulofs machte deutlich, welch tiefgreifende Verletzungen entstehen können. Deshalb riet sie den Vereinen zu einer „Kultur der Aufmerksamkeit“. Nur so könne verhindert werden, dass eine Gefährdung der Kinder stillschweigend hingenommen wird. Sie empfahl eine konkrete Maßnahmen, um den Kinderschutz im Verein bestmöglich zu organisieren: Verhaltensregeln für Mitarbeiter, Vorlage von Führungszeugnissen, regelmäßige Informations- und Fortbildungsveranstaltungen sowie die Benennung von Verantwortlichen.

Diese Position ist beim TV Rottenburg mit Stefan Schmeckenbecher besetzt. Als Kinderschutzbeauftragter kümmert er sich darum, dass dieses Thema auf der Tagesordnung bleibt und ist Ansprechpartner bei akuten Problemen. Ein Glücksfall: Der frühere Bundesliga-Volleyballer arbeitet im Hauptberuf als Bereichsleiter beim Jugendhilfe-Träger Diasporahaus Bietenhausen. So verfügt er über gute Kontakte zu allen Stellen, die im Notfall helfen und im Vorfeld unterstützen können.

„Wir brauchen Prävention“, sagte Schmeckenbecher, „die Sensibilität für das Thema ist wichtig für alle Akteure.“ Diesen Ball nahm Klaus Maier, der erste Vorsitzende des Turnvereins, gerne auf: „Der Kinderschutz ist bei uns in besten Händen.“ Das sei aber kein Grund sich zurückzulehnen und nicht weiter aktiv zu bleiben. Die Diskussion nach Rulofs Vortrag zeigte, wie schwierig das Thema in der Praxis umzusetzen ist. „Dürfen wir noch Hilfestellung mit den Händen geben?“, fragte eine Übungsleiterin und zeigte damit den schmalen Grat zwischen Sicherheit und übergriffigem Verhalten. Natürlich solle der ungetrübte Spaß am Sport Alltag bleiben, so Schmeckenbecher, Kultur der Aufmerksamkeit heiße auch offen zu kommunizieren: „Wenn ich mit den Kindern darüber in Austausch komme, wie Hilfestellung abläuft, transportiere ich zum Beispiel gleichzeitig, dass jedes Kind selbst entscheiden darf, wo es berührt wird“.

Dass Vorfälle immer wieder bei den Fahrten zu Training und Wettkämpfen passieren, war vielen neu und fordert nochmals neue Überlegungen für die Prävention. Über so viel Interesse und Diskussion in Rottenburg freute sich Bettina Rulofs: „Hier gibt es engagierte Leute. Das erlebe ich nicht so oft.“ ST

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Erstellt:
30.09.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 12sec
zuletzt aktualisiert: 30.09.2020, 01:00 Uhr

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