Angenehm bodenständige und Dogma-verschrobene Brot-und-Tulpen-Variante.

Italienisch für Anfänger

Angenehm bodenständige und Dogma-verschrobene Brot-und-Tulpen-Variante.

24.11.2015

Von che

Italienisch für Anfänger

Fans des Dogma-95-Erfinders Lars von Trier seien vor diesem Film gewarnt. Denn mit Triers bizarren visuellen Hirngespinsten („Idioten?, „Dancer in the Dark?) hat der als Nummer fünf unter der Publicity-trächtigen Dogma-Flagge segelnde Streifen der Dänin Lone Scherfig wenig gemein. Wem aber „Brot und Tulpen? und „Amélie? das Herz wärmten, den wird „Italienisch für Anfänger? gewiss nicht kalt lassen.

Auch Scherfig erzählt eine Emanzipations-Geschichte. Sechs Menschen um die vierzig befreien sich aus mentalen Gefängnissen, die sie sich selbst gezimmert haben oder in die sie aus Angst vor seelischem Ungemach geflüchtet waren. Da ist zum Beispiel Olympia, deren notorische Tollpatschigkeit ihr alle paar Wochen den Job kostet und die sich zu Hause von ihrem versoffenen Vater tyrannisieren lässt. Oder der Pastor Andreas, der vom Tod seiner Frau in eine Glaubenskrise gestürzt so leidenschaftslos seine Schäfchen hütet, als sei?s ein Aushilfsjob bei McDonald?s. Oder der Hotelportier Jörgen, der sich so scheu und unbeholfen wie ein achtjähriges Kind durchs Leben duckt. Sie und noch ein paar Gebeutelte mehr treffen sich in einem Italienischkurs, der zur Initialzündung wird für einen kollektiven Ausbruch aus der Tristesse festgefahrenen Lebens.

Wo es in „Brot und Tulpen? in Sachen Emanzipation bloß aufs Wollen ankam, da gibt sich Scherfig beträchtliche Mühe, auch das soziale Umfeld sozusagen die objektiven Hinderungsgründe der Befreiung mitzubedenken. Mit knappen, aber prägnanten Strichen skizziert sie ein dänisches Provinzkaff, das, analog zu den einbetonierten Gefühlen seiner Bewohner, alle Bausünden der Welt auf sich genommen hat. Immer wieder konfrontiert uns die Regisseurin auch mit jenen familiären Zwangsjacken, die abzuschütteln nur um den Preis moralischen Bankrotts möglich scheint.

Etwas schade ist, dass Scherfig beim Ablassen des Leidensdrucks allmählich zur Märchentante mutiert. Wie es der Zufall will, sind nämlich alle ihre Protagonisten Singles, und so ahnt der aufmerksame Zuschauer früh, in welchen Hafen diese Reise führt. Auf einigermaßen vorhersehbaren Umwegen steuert jeder Topf auf seinen Deckel zu, was die Handlung zum Ende hin doch etwas zähflüssig macht. Erträglich bleibt „Italienisch für Anfänger? trotzdem wegen seines subtilen Humors und dem konsequent angewandten Dogma-Regularium: Wo immer Sentimentales dräut, schieben körnige Wackelbilder und abgehackte Schnitte dem Allzu-Süßlichen einen Riegel vor.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 09sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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