Im zweiten 007 mit Daniel Craig schwankt Bond zwischen Pflichterfüllung, Rachdurst und moralischen Zweifeln an seiner Mission.

James Bond 007 - Ein Quantum Trost

Im zweiten 007 mit Daniel Craig schwankt Bond zwischen Pflichterfüllung, Rachdurst und moralischen Zweifeln an seiner Mission.

23.11.2015

Von Magdi Aboul-Kheir

Wie weit darf man eine legendäre Filmfigur ihrer eigenen Mythologie entkleiden? Offenbar umfassend. Der neue Bond-Film "Ein Quantum Trost" ist ein straffer, solider Action-Thriller. Nicht mehr, nicht weniger.

Ganz mit Gold ist ihre Haut überzogen: James Bonds Gehilfin Jill Masterson liegt tot auf dem Bett. 1964 war das, in "Goldfinger". Ganz mit Öl ist ihre Haut bedeckt: James Bonds Gehilfin Miss Fields liegt tot auf dem Bett. Eine Szene aus dem neuen 007-Abenteuer "Ein Quantum Trost".

Öl statt Gold. Die Welt ist dreckiger geworden, und eigentlich geht es in dem neuen Bond-Film um einen noch viel schnöderen Rohstoff. Ja, seit mehr als vier Jahrzehnten ist Bond im Einsatz, und wie sehr hat sich die Welt verändert: Gut und Böse galten einst, im Kalten Krieg, als simpel unterscheidbar. Und heute? Erscheinen demokratische Regierungen kaum weniger korrupt und korrumpiert als militaristische Regimes und Verbrecher-Syndikate. Auf welcher Seite soll James Bond in einer solchen Welt stehen, was sind seine Motive?

"Ein Quantum Trost " dreht sich um Rache und Vergeltung, Vertrauen und Vergebung. Vielleicht muss sogar ein James Bond mal jemandem vergeben - etwa der geliebten Vesper Lynd, die ihn in "Casino Royale " anscheinend verraten hat.

Der neue Film knüpft unmittelbar an den Vorgängerfilm an. Bond jagt die Bösewichter, die Vesper erpresst haben, und deckt die Machenschaften einer Organisation namens Quantum auf. Deren treibende Kraft Dominic Greene treibt ein ruchloses Spiel zwischen politischer und wirtschaftlicher Manipulation. Bond zur Seite steht Camille, die mit dem südamerikanischen General Medrano eine Rechnung offen hat, der wiederum mit Greene zusammenarbeitet. Bei seinen Aufräumarbeiten hinterlässt Bond eine Blutspur - bis sogar seine Chefin M ihm nicht mehr traut.

Rachegeschichten taten Bond-Filmen bislang selten gut - sie sind persönlich, und Persönliches spielte bei Bond früher keine große Rolle. Bezeichnend: Die Rache-Story "Lizenz zum Töten " (1989) ist der konturloseste Bond-Film überhaupt. Und auch bei "Ein Quantum Trost " ist die Handlung - obwohl erneut der oscargekrönte Edelautor Paul Haggis am Drehbuch mitgeschrieben hat - eher simpel gestrickt. Immerhin lernt Bond am Ende etwas: "Den Toten ist Rache gleichgültig. "

Aber der deutsch-schweizerische Regisseur Marc Forster stellt mit "Ein Quantum Trost " einen Rekord auf: Er liefert mit 100 Minuten den kürzesten Bond-Film ab. Entsprechend knackig und straff geht es zu. Da ist keine Zeit für plumpe Gags und technische Gimmicks, da wird die Handlung rund um den Globus vorangetrieben (Italien, Österreich, Haiti, Bolivien), da reihen sich harte Action-Szenen zu Lande, zu Wasser und in der Luft aneinander.

Forster arbeitet mit einer oft stilisiert wirkenden Ausstattung und rasanten Schnitten. Die Grenzen vom hochenergetisch-hektischen zum konfusen Schnitt sind aber fließend: Die anfängliche Autoverschrottung am Gardasee ist vor allem verwirrend, ein Zweikampf in einer Restaurierungs-Baustelle hingegen umwerfend wuchtig.

Etwas gewollt wirkt es, wenn das berühmte Pferderennen Palio di Siena mit einer harten Action-Szene verknüpft wird, aber dann macht Forster aus dieser Montagetechnik noch große Oper: Bond schlägt sich an der Bregenzer Seebühne mit Bösewichtern herum, zugleich geht der zweite "Tosca "-Akt blutig zu Ende. Dennoch: An die Brillanz der Action-Sequenzen aus "Casino Royale " reicht das neue Spektakel nicht heran.

Hauptdarsteller Daniel Craig hingegen macht hingegen da weiter, wo er vor zwei Jahren aufgehört hat. Sein Bond hat eine enorme Anspannung und physische Präsenz; eisige Oberfläche, unter der es brodelt. Mathieu Amalric schaut teuflisch, aber die Rolle des Bösewichts Greene gibt wenig her. Auch sein Handlanger Elvis hat wenig zu tun, doch ist der Schweizer Anatole Taubmann in der Rolle ein Hingucker: Seine Mönchsfrisur ist das Fieseste im ganzen Film. Und die Ukrainerin Olga Kurylenko als Camille? Eine der blassesten Bond-Frauen überhaupt. Judi Dench stiehlt ihr als markante M allemal die Show.

Und sonst? Der Titelsong ist unbondisch, der Vorspann mau, der Aston Martin alsbald verbeult. Also weiterhin fast alles anders nach dem Bond-Neustart mit "Casino Royale "? Nicht ganz: Regisseur Forster baut durchaus Referenzen auf die Bond-Geschichte ein (der Öl-Tod, der Drink) - für puristische Bond-Nostalgiker dürfte das ein Quantum Trost sein.

James Bond 007 - Ein Quantum Trost