Konfetti geht auch

Julia Engelmann mit „Eines Tages, Baby“ im Sudhaus

Es ist ein bisschen wie Kindergeburtstag. Einer, bei dem sich die Gastgeberin um jeden Eingeladenen besonders liebevoll kümmert, sogar dann, wenn ein paar hundert Leute kommen. Über der Bühne im Sudhaus-Saal rahmen drei Sterne einen Kometen und einen bläulichen Planeten mit Ring (Saturn?). Julia Engelmann ist ein Star, der die Deko noch selber bastelt, „aus Pappe“.

26.04.2016

Von DOROTHEE HERMANN

Anders ist nur eine Variante von richtig, textet die Bremer Slammerin Julia Engelmann. Am Sonntagabend trat sie im ausverkauften Sudhaus auf. Bild:Faden

Anders ist nur eine Variante von richtig, textet die Bremer Slammerin Julia Engelmann. Am Sonntagabend trat sie im ausverkauften Sudhaus auf. Bild: Faden

Tübingen. Weil Sternschnuppen so selten sind (sie hat noch nie eine gesehen, behauptet sie), hat die Slammerin mit der „Stern“–Kolumne stattdessen Konfetti mitgebracht, das sie immer wieder hauchzart rieseln lässt. Dann darf man sich etwas wünschen, sagt die 23-Jährige mit den langen blonden Haaren.

Die Lippen sind knallrot geschminkt, auf ihrer bräunlichen Bomberjacke glitzert es. „Hallo! Hallo, Tübingen! Ich bin Julia, ich schreib’ Gedichte“, begrüßt sie die ziemlich altersgemischten 350 Zuhörer/innen am frühen Sonntagabend. Offenbar spricht die Slammerin Gleichaltrige genauso an wie deren Eltern und Großeltern.

Gedichte schreiben lernte sie bei Poetry Slams, verrät Engelmann. „Da kann jeder mitmachen.“ Die einzige Vorbedingung: Der Text muss selbst geschrieben sein. „Das kann eine lustige Geschichte von der WG-Party sein, eine Einkaufsliste oder Gedichte“, wie bei ihr. Bei der Vorbereitung lernte sie, sich auf Texte zu beschränken, die „in unter fünf Minuten vortragbar waren“.

Ihre Themen können überraschen, denn die sind ganz anders als die Deko und die niedliche Konfetti-Idee fürs Wünschen. Da geht es ums Alleinsein oder um „bescheuert viel Angst“. Die zählt sie zu dem, was sie nicht will, aber von dem sie viel zu viel hat.

Gegen das Perfekt-sein-Müssen stellt sie ihren Text „Kein Modelmädchen“ mit dem Fazit: „Manchmal wären wir gern anders,/ doch das hat niemals einen Zweck./ Jeder ist auf seine Weise/ gut genug und auch perfekt.“ Das Anderssein(-Müssen) beschäftigt sie, und nicht immer mit der versöhnlich-erwachsenen Folgerung: „Sag’ dir, anders ist nicht falsch, ist nur ’ne Variante von richtig.“ Einmal sagt Engelmann, sie schreibe, um einen sicheren Ort für ihre Gedanken zu haben.

Zwischendurch nimmt sie ihre Gitarre, singt Covers mit eindrucksvoll angerauter Stimme und gibt der analytischen Textschreiberin flugs noch eine andere Dimension. Echte Engelmann-Songs gibt es mittlerweile auch. „Taxistand“ heißt einer. Das klingt beiläufig, lässt aber auch beunruhigende Gefühle zu wie Ausgebranntsein: „Du hast vergessen, wer du sein willst“. Rasch dominiert wieder ihre zupackende Seite: „Aber trotzdem: Hab’ kein Kopfweh, du packst das schon“, heißt es dann, und zwischendurch singen Gospelchor, Knabenchor „und alle Hundewelpen“ heulen los, und sie holt bloß mit weitausholender Geste „Konfetti und Pyro“ dazu und lädt die Zuhörer ein, sich eine ganz große Bühnenshow vorzustellen, samt „Katzenbabys, die über Regenbögen springen“.

Bevor sie wusste, „dass Dichterin, Poetin ein zeitgenössisches Berufsbild“ für sie sein könnte, studierte Engelmann ein paar Semester Psychologie und spielte in einer Vorabendserie. Das schafft sie jetzt nicht mehr, Tübingen ist die 41. Stadt ihrer Tour, und weiterschreiben möchte sie ja auch.

Nach der Zugabe mit dem „Eichhörnchen-Märchen“ will sie ihre Bücher signieren, ist bereit für Selfie-Fotos mit Zuhörern, hat ein Gästebuch ausgelegt – in dem liest sie abends gern, sagt sie. Fans dürfen etwas hineinschreiben oder einfach Sternchen malen.

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Erstellt:
26.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 26sec
zuletzt aktualisiert: 26.04.2016, 01:00 Uhr

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