Mein Mann, seine Familie und ich. Fein austarierte Erzählung vom Kulturclash der beiden Amerikas.

Junebug

Mein Mann, seine Familie und ich. Fein austarierte Erzählung vom Kulturclash der beiden Amerikas.

24.11.2015

Von che

Junebug

Die Vereinigten Staaten bestehen bekanntlich aus zwei Welten: einer großstädtischen, liberalen, gebildeten und einer ländlichen, gottesfür­chtigen, geistig eher schlichten. Wenn die beiden sich begegnen, wird es heikel ? zumindest im Kino, wo diese Art von Kulturclash beinahe schon ein eigenes Genre bildet.

Die jüngste Variation stammt von In­dependent-Regisseur Phil Morrison und geht so: Die Galeristin Made­leine aus Chicago hat beruflich im tiefsten Hinterwald zu tun, und weil die Familie ihres frisch angetrauten Gatten George ganz in der Nähe wohnt, entschließen sich die beiden zu einem Besuch. Vom ersten Hände­druck an schlägt der weltgewandten Intellektuellen eine gleich­gültige bis feindselige Stimmung von Seiten ihrer knapp oberhalb des White Trash angesiedelten Neu-Verwandtschaft ent­ge­gen ? nur die hochschwangere Schwägerin ihres Mannes über­schwemmt sie mit penetranter Herz­lichkeit. Andererseits steht Made­leines instrumentel­le Höflichkeit immer dicht an der Schwelle zur Ar­roganz.

Wie ihr Gat­te, der sich meistens nach irgendwohin verzieht, hält sich auch Regisseur Morrison zunächst aus dem Konflikt heraus und beob­achtet des Kom­mu­nikations-Desaster unterkühlt und aus der Distanz. Statt sich auf eine Seite zu schlagen, zeichnet der Spiel­film-Debütant bewusst viel­deutige Milieubilder. Eines der schönsten führt in den Bibelkreis, wo der solchem Ritual längst ent­fremdete George zum Vorsingen eines Kirchenliedes genötigt wird ? und dabei mehr bei sich selbst ist als davor und danach.

Im zweiten Abschnitt werden dann aber doch noch einige Plus- und Minuspunkte verteilt. Als klare Verliererin geht Madeleine vom Feld, deren tolerantes Weltbild im Business-Ernstfall kläglich in sich zusammenfällt. Zur heimlichen Hel­din (inklusive Oscar-Nominierung für Amy Adams) avanciert da­gegen Ashley, die schwangere Schwägerin, die kraft ihrer herzens­gu­ten Einfalt als einzige das Fremde als Bereicherung annimmt. Ge­orges Schlusswort, als man schon wieder im Auto nach Chicago sitzt, gerät insofern zur Bankrotterklärung: „Ich bin froh, dass wir es hinter uns haben".