Eindringliches Plädoyer gegen religiösen Wahn. Mit Pietät gegenüber der orthodoxen Tradition.

Kadosh

Eindringliches Plädoyer gegen religiösen Wahn. Mit Pietät gegenüber der orthodoxen Tradition.

24.11.2015

Von Tom Ziegner

Kadosh

Pseudo-alttestamentarisches Patriarchat herrscht in Mea Shearim, dem Stadtteil der ultra-orthodoxen Juden in Jerusalem. Techniken des Dokumentarfilms hat der israelische Regisseur Amos Gitai angewendet, um in ruhigen, geduldigen Kamera-Einstellungen die vor allem für Frauen bittere Realität der hoffnungslos antiquierten Lebensweise zu zeigen.

"Kadosh" (heilig) verzichtet dabei auf Karikaturen. Geborgenheit und Sicherheit verspricht das orthodoxe Leben, es sei "ruhig und angenehm", meint die Hauptfigur Rivka noch, als sie längst Opfer der rigiden Glaubensgesetze geworden ist. Weil seit zehn Jahren kinderlos, befiehlt der engstirnige Rabbi, dass ihr Mann Meir und Rivka sich trennen.

Alltagsepisoden sind authentisch, Liebesszenen poetisch und diskret aufgenommen. Anders als ihre Schwester Rivka kann Malka sich aus dem religiösen Gewaltzusammenhang lösen. Gegen ihren Willen musste sie den fanatisch-orthodoxen Yossef heiraten, und die Hochzeitsnacht gerät zum mechanischen Vollzug ohne jeden erotischen Glanz.

Aber Malka findet den Mut zum Seitensprung mit dem Geliebten, versucht vergeblich Rivka zu überreden, mit ihr "zu den Leuten nach dort draußen zu gehen". Sie empfindet am stärksten den viel zu hohen Preis für die Geborgenheit: Bedingungslose Unterwerfung, Zwang und Kontrolle. "Ich ersticke hier", lautet ihr Fazit.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 35sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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