Auszieh‘n allein genügt nicht – hier fehlt es an Hintersinn, Witz und einer guten Geschichte.

Kalender Girls

Auszieh‘n allein genügt nicht – hier fehlt es an Hintersinn, Witz und einer guten Geschichte.

24.11.2015

Von che

Stellen Sie sich vor, in Ihrer Kleinstadt ? sagen wir Rottenburg oder Mössingen ? hätte ein Trupp nicht mehr ganz junger Damen für einen Kalender viertelnackt posiert. Da gäb?s wohl anfangs ein großes Gemunkel im Flecken, womöglich sogar einen Aufmacher im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT, aber vier Wochen später wäre die Sache gegessen.

Vielleicht mag man das im puritanischen England etwas (str)enger sehen, aber das Aufhebens, das um den Film „Kalender Girls? gemacht wird, verwundert dann doch. Er erzählt die wahre Geschichte eines Hausfrauenkränzchens in einem britischen Provinzkaff, dessen Mitglieder sich bei Biskuitbackwettbewerben und in Vorträgen über die gute Broccoli-Küche zu Tode langweilen. Bis die gewitzteste unter ihnen auf die Idee kommt, den traditionellen Jahreskalender mal nicht mit Blumen oder Kirchen zu bestücken, sondern mit ein paar Fitzelchen der eigenen nackten Haut.

Die bescheidene Dimension des Skandälchens, das sich hieraus ergibt, spricht nicht von vornherein gegen seine Verfilmung. Schließlich gab es vor Jahren mal den Film „Ganz oder gar nicht?, der mit großer Klasse eine ganz ähnliche Geschichte erzählte: von vier Arbeitslosen, die sich als Stripper pfiffig gegen das drohende Elend stemmen. Allerdings war der Auszieh-Effekt hier bloß der Aufhänger für eine fulminante Sozialkomödie, deren galliger Humor mit einem genau gezeichneten Milieu und kantigen Charakteren korrespondierte.

Von solchen Qualitäten ist „Kalender Girls? weit entfernt. Das Dorf des Geschehens ist ein Ausbund gängiger Provinz-Klischees, die Figuren sind so lieb wie langweilig und die meisten Gags wollen einfach nicht zünden. Allenfalls die erste Hälfte, bis zur Veröffentlichung des Kalenders, ist als Lausbubengeschichte älterer Damen, die mal genüsslich über die Stränge schlagen, für das ein oder andere Schmunzeln gut. Mit dem unverhofften Ruhm, der manches Eheproblemchen zeitigt und die Eintracht der Kalendermädchen auf die Probe stellt, gerät die Story jedoch in ganz seichtes Fahrwasser. Da kann auch das tapfer gegen den Biedersinn des Drehbuchs anagierenden Schauspielerinnen-Ensemble nicht mehr viel retten.

Warum dieser Film dennoch ein Welterfolg wurde, ist mit gesundem Menschenverstand also kaum zu erklären. Vielleicht liegt es daran, dass er dem verbreiteten Bedürfnis entgegenkommt, kleinste Abweichungen vom Wege als großen Sprung nach vorn auszugeben. Das würde auch erklären, dass selbst Kanzler Schröder zur Premiere nach Locarno eilte ? und ihm dort sogar den Vorzug gab vor dem „Wunder von Bern?.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 12sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Morthe 22.07.200412:00 Uhr

War ja klar, Guido, daß der Film Dir nicht gefällt...
Zwar nicht das erwartete aber doch hin und wieder ganz amüsant.

M. Rittger 27.03.200412:00 Uhr

Ein gelunger Film, der auf Charaktere und Story setzt und auf einen Humor, den nicht jeder lustig finden wird. Umso besser. Hollywood hätte man sich teilweise durchaus schenken können. Einfach gut.

12.03.200412:00 Uhr

sehr gut

JP 08.03.200412:00 Uhr

Eichele hat mal wieder recht - die erste Hälfte ist ganz nett, der Rest verzichtbar. Zudem ist dieser Film eine Sozialkomödie der anderen Art: mit solchen Kalenderinitiativen kann man sich in Zukunft auch die Praxisgebühr leisten!

der Ralf 04.03.200412:00 Uhr

Das Thema stimmt zunächst verwunderlich, doch wenn man den Film gesehen hat - sehr erfrischend.

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