Horb · Das Mittwochs-Interview

„Kampagne soll Aufmerksamkeit wecken“

Oberkirchenrat Dr. Frank Zeeb erklärt im Gespräch, warum die gewachsene Zusammenarbeit zwischen Kirche und Sport erneuert werden muss.

19.02.2020

Von Sascha Eggebrecht

Geistlicher Beistand: Weihbischof Thomas Maria Renz (Diözese Rottenburg - Stuttgart) im VfB-Fanblock Untertürkheimer Kurve. Bild: Ulmer

Geistlicher Beistand: Weihbischof Thomas Maria Renz (Diözese Rottenburg - Stuttgart) im VfB-Fanblock Untertürkheimer Kurve. Bild: Ulmer

SÜDWEST PRESSE: Herr Zeeb, der Arbeitskreis Kirche und Sport der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde am 9. Dezember 1964 als Arbeitsgemeinschaft eingerichtet. Nun soll die gewachsene Zusammenarbeit von Kirche und Sport erneuert werden. Warum?

Dr. Frank Zeeb: Es muss bitte unterschieden werden zwischen der EKD-weiten Arbeit und der Arbeit in Württemberg, die nur in loser Beziehung zueinanderstehen. In Württemberg ist – ich selbst bin aber erst seit etwa einem Jahr zuständig – in den vergangenen Jahren die Arbeit „Kirche und Sport“ wenig spektakulär verlaufen, auch weil die Stelle eines kirchlichen Sportbeauftragten aus verschiedenen Gründen nicht besetzt werden konnte. Der Neuansatz besteht jetzt darin, dass die vier großen Kirchen in Baden-Württemberg – Ev. Landeskirche in Württemberg, Ev. Landeskirche in Baden, Diözese Rottenburg-Stuttgart und die Erzdiözese Freiburg – gemeinsam mit den Sportverbänden am 15. November 2019 ein Spitzentreffen zwischen den Bischöfen und den Verantwortlichen der Verbände hatten, in dessen Rahmen zum einen eine Öffentlichkeitskampagne lanciert wurde, zum anderen aber das gemeinsame Thesenpapier der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Ist eine Neuorientierung auch notwendig, weil sich die Gesellschaft verändert hat?

Die Gesellschaft verändert sich ständig, daher ist Neuorientierung immer erforderlich. Ein Ziel ist aber sicherlich, der zunehmenden Individualisierung die Aspekte der Gemeinschaft und des Miteinanders entgegenzusetzen. Der Teamgedanke ist ja für Kirche und Sport – sicherlich in unterschiedlicher Weise – grundlegend, auch der Einsatz für die Gesellschaft als Ganze und für Werte. Nebenbei bemerkt sind Kirche und Sport nach wie vor die beiden größten Player was Ehrenamt, Freizeitgestaltung und so weiter anlangt.

Die Kirche verliert bei den Bürgern immer mehr an Bedeutung. Wollen Sie mit der Neuorientierung auch wieder dafür sorgen, dass vor allem Jugendliche sich wieder mehr mit dem Thema Kirche beschäftigen?

Das mag ein schöner Nebeneffekt sein, aber es ist nicht das Hauptziel der Neuorientierung. Die Neuorientierung richtet sich weniger auf missionarische Ziele und Mitgliedergewinnung als vielmehr auf gesellschaftliches Engagement, in unserer kirchlichen Sprache Gesellschaftsdiakonie und Gemeinwesenarbeit.

Bei der Neustrukturierung sollen dabei 13 Thesen im Mittelpunkt stehen. Wie lauten die wichtigsten Inhalte?

Es geht wesentlich darum, dass Kirche und Sport sich gemeinsam darauf verständigen, die Menschen zu befähigen, miteinander für gemeinsame Werte einzustehen, ihre jeweiligen Gaben und Schwerpunkte gemeinsam für Integration, Demokratie und Menschenrechte einzubringen.

Wie sollen diese Inhalte umgesetzt werden?

Die Kampagne soll zunächst Aufmerksamkeit wecken. Sie soll deutlich machen, dass Kirche und Sport von verschiedenen Seiten mit denselben Menschen zu tun haben, dieselbe Gesellschaft gestalten. Sie möchte auch dazu anregen, gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren, im kirchlichen Bereich für die Anliegen des Sports sensibilisieren und umgekehrt. Aus kirchlicher Sicht: Wenn eine Sportveranstaltung mit einem ökumenischen Gottesdienst beginnt, an dem die Veranstalter aus dem Sport mitwirken, wird Partnerschaft ganz niederschwellig gelebt.

Im Zuge des Aufbruchs wurden alle Kirchengemeinden und Sportvereine in Baden-Württemberg angeschrieben. Sie sollten Stellung zur „Situation von Kirche und Sport vor Ort“
abgeben. Welches Feedback haben Sie erhalten?

Das Feedback auf eine nichtrepräsentative, freiwillige Umfrage ohne wissenschaftliche Begleitung ist immer eine Momentaufnahme. Vermutlich haben vor allem Vereine und Gemeinden geantwortet, die bereits auf einem Weg miteinander unterwegs sind. Das spiegelt das Ergebnis der Umfrage wider. Viele spannende Veranstaltungen wurden berichtet. So ist in einer Gemeinde eine Arbeit mit jungen männlichen Geflüchteten entstanden, die wesentlich davon geprägt war, dass die kirchliche Arbeit sich darauf eingelassen hat, mit dem Sportverein zusammen den Jugendlichen ein Fußball-Angebot zu machen. Auch gemeinsames Kochen und Essen hat vielerorts Menschen zueinander gebracht.

Um ehrlich zu sein, findet eine Zusammenarbeit zwischen Kirche und Sport auf dem ländlichen Raum kaum bis gar nicht statt.

Ob sich das verallgemeinern lässt, weiß ich nicht. Nach meiner Beobachtung hängt es oft an Personen, gerade an den Leitungspersonen. Wenn die Pfarrperson und die Sportvereinsvorsitzenden gut miteinander können, lässt sich manches erreichen. Ich habe als Gemeindepfarrer gute Erfahrungen damit gemacht, dass man Termine miteinander abspricht, sich im Konfliktfall frühzeitig zusammensetzt, vertrauensvoll kommuniziert, Verständnis füreinander entwickelt. Meist bekommt man von den Menschen zurückgespiegelt, dass sie es schätzen, wenn die großen sozialen Institutionen im Dorf gut zusammenarbeiten. Oft hat man auch über die Schule, die Kinder- und Jugendarbeit Kontaktflächen.

Es soll aber auch Projekte auf kommunaler Ebene geben. Welche Landkreise sind da besonders stark? Und welche besonders schwach?

Hierüber liegen mir keine belastbaren Daten vor.

Welche Projekte sind das?

Auch das kann ich leider zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschließend sagen, weil es ja kommunale Projekte sind, die noch nicht von den landesweiten Stellen evaluiert sind.

Um das Interesse an Kirche und Sport aktiv zu gestalten, wird nun ein Sportbeauftragter (50 Prozent) von der Evangelischen Landeskirche eingesetzt. Welche Aufgaben wird er haben?

Er wird den Landesarbeitskreis Sport leiten, aktiv auf die Sportverbände zugehen, auch theologisch-ethische Fragen um Sport- und Körperkult behandeln. Er wird auch mit einem kirchlichen Angebot bei großen Sportveranstaltungen anwesend sein und sich um eigene kirchliche Veranstaltungen an der Schnittstelle wie den Konfi-Cup und das Stuttgarter Weihnachtssingen kümmern.

Dr. Frank Zeeb

Dr. Frank Zeeb

Zum Artikel

Erstellt:
19.02.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 34sec
zuletzt aktualisiert: 19.02.2020, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!