Nationalmannschaft

Kampfsieg als Krampflöser

Im abschließenden Gruppenspiel gegen Südkorea müssen Toni Kroos und Kollegen beweisen, dass sie der Erfolg im Duell mit den Schweden zu einer kompakteren Einheit gemacht hat.

25.06.2018

Von ARMIN GRASMUCK

In der fünften Minute der Nachspielzeit: Toni Kroos (Mitte hinten) erzielte den Treffer zum 2:1 gegen Schweden. Foto: Witters

In der fünften Minute der Nachspielzeit: Toni Kroos (Mitte hinten) erzielte den Treffer zum 2:1 gegen Schweden. Foto: Witters

Sotschi. Als es darauf ankam, war Toni Kroos voll bei der Sache. Die deutsche Elf war im Duell mit den Schweden nach dem Platzverweis von Jerome Boateng in Unterzahl, es lief die fünfte Minute der Nachspielzeit und der Schiedsrichter schien kurz davor, die Partie abzupfeifen. Da gab es den Freistoß an der linken Kante des Strafraums. Kroos schnappte sich den Ball und besprach sich mit Marco Reus. Der Dortmunder wollte den Freistoß selbst und direkt schießen. „Da habe ich gesagt“, so berichtete Kroos nach dem Spiel: „Hm, bin ich nicht überzeugt von. Dann haben wir uns für den Weg entschieden, um einen besseren Winkel zu haben für den Schuss.“ Also spielte Kroos den Ball kurz zu Reus, der stoppte ihn und Kroos zirkelte ihn wuchtig und mit brillantem Schnitt hoch in die lange Ecke – 2:1 für Deutschland, der erste Sieg des Titelverteidigers bei der WM.

Zeitweise drückend überlegen

Es war ein verdienter Erfolg, weil die deutsche Elf speziell in der zweiten Hälfte phasenweise drückend überlegen wirkte und allen Widrigkeiten zum Trotz bis zur letzten Sekunde hart um die drei Punkte kämpfte, allerdings ohne zu glänzen. Bezeichnend schien, dass ausgerechnet Kroos diesem Spiel noch den entscheidenden Dreh gab, der Mittelfeldspieler, der sich zuvor erneut einige ungewohnte Blößen gegeben hatte.

Mit einem kapitalen Fehlpass leitete er den Führungstreffer der Schweden ein und obwohl er oft am Ball war, konnte sich der Regisseur von Real Madrid nur selten entscheidend in Szene setzen. Umso mehr brodelte es nach den höchst emotionalen Schlussminuten in ihm. „Man hatte das Gefühl, relativ viele Leute in Deutschland hätte es gefreut, wenn wir heute rausgegangen wären“, so polterte Kroos. „Aber so leicht machen wir es ihnen nicht.“ Auf wen oder was er mit dieser Schelte konkret zielte, ließ er offen. Die Kritik, mit der sich die Mannschaft nach der Auftaktpleite gegen Mexiko (0:1) konfrontiert sah, hatten er und die Mitspieler zumindest unter der Woche weitgehend geteilt.

Gemessen an dem kollektiven Totalversagen in der ersten Partie, war das Duell mit den Schweden zumindest nach der Pause ein klarer Schritt nach vorn. „Mir hat gut gefallen, dass wir in der zweiten Hälfte nicht die Nerven verloren haben“, sagte Joachim Löw: „Wir haben versucht, unsere Möglichkeiten gut vorzubereiten. Wir wollten schnell passen, Wege gehen, damit die Schweden müde werden. Wir haben zwar einige Tormöglichkeiten ausgelassen. Aber die Moral hat mir gefallen. Wir haben immer geglaubt, dass wir das Spiel noch drehen können. Es war auch ein Sieg der Moral, am Ende zu zehnt.“

Der Bundestrainer hatte auf die überraschende Auftaktpleite reagiert und seine Mannschaft auf vier Positionen verändert. Marco Reus und Sebastian Rudy kamen für Sami Khedira und Mesut Özil, der seit 2010 in 26 WM- und EM-Spielen nacheinander in der Startelf gestanden hatte. Antonio Rüdiger ersetzte Mats Hummels, der aufgrund von Rückenproblemen passen musste und Jonas Hector kehrte nach seiner Erkältung für Marvin Plattenhardt in die Elf zurück.

Schwungvoll begannen sie, und dominant. Nach zehn Minuten standen eindrucksvolle 122:6 Pässe zugunsten der Deutschen verbucht, die Ballbesitzquote lag bei über 90 Prozent. Und doch: Als die Schweden ihren ersten schnellen Konter über den Leipziger Emil Forsberg setzten, wirkten die Spieler des Weltmeisters einmal mehr wie ins Mark getroffen. Plötzlich wackelten sie wieder. Boateng konnte von Glück reden, dass er noch keine Rote Karte sah, als er in der zwölften Minute den früheren Hamburger Marcus Berg im Strafraum zu Fall brachte. Klarer Elfmeter, doch die Pfeife des Schiedsrichters blieb stumm.

Reus trifft zum Ausgleich

Schmerzhaft wurde es nach einer halben Stunde, als der bis dahin resolut auftretende Rudy bei einem unglücklichen Zusammenprall einen Nasenbeinbruch erlitt und gegen Ilkay Gündogan ausgetauscht werden musste. Die Schweden nutzten den Bruch im deutschen Spiel eiskalt aus. Nach Kroos' Fehlpass stürmte Toivonen plötzlich allein auf das deutsche Tor und lupfte den Ball über Manuel Neuer hinein.

Nach der Halbzeit kam Mario Gomez ins Spiel, die deutsche Mannschaft erhöhte den Druck und sie wurde prompt belohnt: Reus stupste nach einer Flanke von links den Ball mit den Knie zum Ausgleich in die Maschen. Acht Minuten vor dem Ende flog Boateng nach wiederholtem Foulspiel mit Geld-Rot vom Platz. Das Remis stand, bis Kroos mit seinem Kunstschuss kam.

Kampfsieg als Krampflöser

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25.06.2018, 06:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 25.06.2018, 06:00 Uhr

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