Zahnmedizin

Keimtod – digital dokumentiert

Am Freitag vor einer Woche besuchte eine japanische Delegation die Empfinger Zahnarztpraxis Kleindienst, die im Oktober 2015 nach neuesten Gesichtspunkten eingerichtet worden war.

27.01.2017

Von Reinhard Seidel

Die japanische Delegation mit einem Teil des Teams der Zahnarztpraxis von Christoph Kleindienst (zweiter von links). Neben ihm stehen Professor Kentaroh Nakamura, seine Assistentinnen Maki Ito und Miyuki Yamamoto sowie Christoph Sandow von der Firma Melag.Privatbild

Die japanische Delegation mit einem Teil des Teams der Zahnarztpraxis von Christoph Kleindienst (zweiter von links). Neben ihm stehen Professor Kentaroh Nakamura, seine Assistentinnen Maki Ito und Miyuki Yamamoto sowie Christoph Sandow von der Firma Melag.Privatbild

Im Mittelpunkt des eineinhalbstündigen Besuchs stand in Empfingen die Hygienekette eines chirurgischen Bestecks von einem zum nächsten Patienten und die nötige Dokumentation. Diese erfolgt, da nicht verpflichtend, in Deutschland noch oft in schriftlicher-, bei Christoph Kleindienst jedoch schon in digitaler Form. Hintergrund des penibel verfassten Berichts: Früher musste ein Patient nachweisen, dass ein Keim, den er sich einfing, aus der Praxis kam. Heute ist dies genau umgekehrt. Die Beweispflicht liegt beim Arzt.

Bevor die Japaner nach Empfingen kamen , hatten sie schon im Dentallabor Dürr in Bietigheim-Bissingen Station gemacht. Die Delegation bestand aus Professor Kentaroh Nakamura, seinen Assistentinnen Maki Ito und Miyuki Yamamoto. Übersetzer war der Zahntechniker Tomonari Okawa, der in Hamburg ein Labor führt.

Initiiert hatte den Besuch Christoph Sandow aus Berlin von der Firma Melag. Sein Unternehmen stellt die Hygiene-Aufbereitungs-Geräte her und hatte beim Praxeneinrichter Pluradent nachgefragt, wo es in Deutschland eine Praxis gibt, die auf dem neuesten Stand ist.

Gleich bei der Begrüßung fragten die Japaner Kleindienst, der am Tag zuvor seinen 34. Geburtstag feierte, wie viele Zahnärzte denn in der Praxis in der Mühlheimer Straße denn praktizierten? Sie waren überrascht, dass Kleindienst alleine die Praxis zusammen mit fünf Helferinnen und einer Auszubildenden führt. In Tokio, so erfuhr Kleindienst, würden in einer vergleichbaren Praxis vier bis sechs Zahnärzte rund um die Uhr die Patienten betreuen. Die horrenden Mieten sind der Grund. „Toll“, so Kleindienst, fanden die Gäste, dass er einen separaten Raum hat, in dem die chirurgischen Hilfsmittel sterilisiert werden. Und dieser ist farblich getrennt. Die Farbe Rot steht für den schmutzigen-, die Farbe Grün für den hygienischen Bereich.

In Japan ist es, anders als in Deutschland erlaubt, dass das Labor und die Sterilisation in einem Raum untergebracht sind. Aber in einem Labor wird, so Kleindienst, mit Gips oder Kunststoff gearbeitet, ebenso werden auch bei Arbeiten an Prothesen Keime in die Luft geschleudert.

In Japan liegen heute auch noch alle möglichen Geräte auf dem Behandlungstisch parat, wenn ein Zahnarzt seine Arbeit beginnt. Kleindienst wiederum legt Wert darauf, dass seine Helferinnen ihm nur das, was er wirklich zur Untersuchung oder Behandlung braucht, bereit legen. Denn die Sprühnebel infizieren sämtliche offenliegende Hilfsmittel.

Wie funktioniert die Hygienekette bei Kleindienst? Wenn Christoph Kleindienst ein Implantat eingesetzt, aus dem Kieferknochen eine Wurzelspitze entfernt oder einen Weisheitszahn herausoperiert hat, wird in dem Hygieneraum zunächst das benutzte chirurgische Besteck, beispielsweise eine Zange, „grundgereinigt“. Es wird also beispielsweise Blut abgespült. Handschuhe, und wegen der Gefahr von AIDS- oder Hepatitis-Viren, weitere Schutzvorkehrungen wie Mundschutz, Schutzbrille und gegebenenfalls ein Schutzkittel sind Pflicht.

Eventuell wird danach noch Ultraschall zur Reinigung eingesetzt, dann kommt das Besteck in eine Art „Geschirrspüler“, in dem das Wasser aber auf 95 Grad Celsius erhitzt wird. Anschließend wird – nun geht es in den grünen Bereich – die Zange eingeschweißt. Zuletzt kommt sie in einen Ofen, der einen 134 Grad heißen Dampf produziert. Dieser dringt durch die Membrane der Verpackung ins Innere. Die Zange ist dann absolut steril.

Die Helferin, die diese Vorgänge erledigt hat, loggt sich per Passwort in den Computer ein, und dokumentiert auf dem Rechner den Sterilisationsvorgang. Eingegeben wird der Name des oder der Patientin, die Zeit und das Datum des Eingriffs. Vermerkt wird auch, wer das Gerät freigegeben hat und es zuvor sterilisiert hat.

Der Computer spuckt dann einen Barcode aus, der auf die Verpackung der Zange geklebt wird. Kleindienst zeigt auf einen dieser Codes. Darauf steht auch, dass die Zange am 24. Januar 2017 sterilisiert worden ist und nun bis zum 23. Juli, also ein halbes Jahr lang, erneut verwendet werden kann.

Mit dieser digitalen Dokumentation, die nach dem Ausdrucken auch nicht mehr verändert werden kann, sind, so Kleindienst, „wir dann auf der sicheren Seite“. Als er seine Praxis eröffnete, investierte er gleich in diese neue Technik. Es gab zwei Gründe dafür: Er wollte in fünf Jahren nicht nachrüsten müssen, außerdem lernt seine Auszubildende diese Form der digitalen Dokumentation dann sofort richtig. Zum Schluss übergaben die höflichen japanischen Gäste Kleindienst ein Geschenk: Ein Tenugui,
ein in Japan gebräuchlicher
Hygieneartikel für Hände und Gesicht. Verpönt ist dagegen, das Tuch für die Nase zu verwenden.

Michelle Heinrichs erklärt den Japanern, die mit Video und Fotoapparat vieles dokumentierten, die Hygiene-Kette.Privatbild

Michelle Heinrichs erklärt den Japanern, die mit Video und Fotoapparat vieles dokumentierten, die Hygiene-Kette.Privatbild

Christoph Kleindienst zeigt im grün-roten Sterilisationsraum eine keimfreie, verpackte Zange.Bild: Seidel

Christoph Kleindienst zeigt im grün-roten Sterilisationsraum eine keimfreie, verpackte Zange.Bild: Seidel