Kommentar zum Thema Konzertsaal.

Keine städtischen Steilvorlagen

Man kann den langen Weg zum Tübinger Konzertsaal auch sportlich sehen. Da fallen einem verschiedene Disziplinen ein: Zum Beispiel der Hürdenlauf. Wobei es meistens die Rathausspitze ist, die gerne mal ein neues Hindernis aufstellt.

18.02.2017

Von Wilhelm Triebold

Etwa wenn sie einen weiteren Gemeinderatsbeschluss ansteuert für einen Konzertsaal, der zumindest in der kulturaffinen Öffentlichkeit längst stabil genug verankert ist, um alle Naslang aufs Neue bestätigt werden zu müssen. Oder auch, wenn OB Boris Palmer den Saal zur allgemeinen App-Stimmung stellen will, um so das (angebliche Hoch-)Kulturvorhaben einem Belastungstest zu unterziehen. Ob er sich dann aber auch traut, demnächst das Thema Au-Brunnen per App-Klick voten zu lassen?

Zweite Disziplin: statt Bankdrücken das Auf-die-Lange-Bank-Schieben. Auch da ist die Stadtverwaltung meisterlich: Auf die Idee muss man erstmal kommen, eine Konzertsaal-Option zu prüfen, die nach gesundem Menschenverstand bereits gescheitert ist (siehe „King Size auf dem Neckarparkhaus“). So spielt man auf Zeit. Auch wenn’ s Geld kostet.

Drittens: die hohe Fußballkunst. Die Stadtverwaltung bereitet jede Gemeinderatssitzung mit allerhand Papierkram vor, der sogenannten Vorlage. Die kann Steilvorlage sein zum besseren Verständnis und zum Ergebnis. Kann Räume öffnen, wenn man klug nach vorne spielt. Beim Rückpass droht ein Eigentor.

So wie jetzt im Tübinger Kulturausschuss beim Thema Konzertsaal. Langsam dämmert es sogar den Mitgliedern des Gemeinderats, dass dieser Saal von der Rathausspitze nicht gewollt und nicht gefördert, eher verhindert wird. Da mag Kulturamtsleiterin Dagmar Waizenegger noch so tapfer und unverdrossen darauf hinweisen, dass der Schwerpunkt Konzertsaal recht einmütig beschlossen und in die Kulturkonzeption hineingeschrieben wurde, neben der Literatur und der kulturellen Bildung. Während man mit den beiden letzten Punkten allerdings mit großen Schritten vorankommt, ist das sicherlich ehrgeizige Konzerthausprojekt ins verordnete städtische „Kostendämpfungsprogramm“ und hinter den sonstigen Sanierungsstau im Kulturbereich geraten.

Und dann ist da ja noch die Standortfrage.

Offenbar mag die Stadt ihre stadtplanerisch beste Lage am Europaplatz nicht für ein schnödes Konzerthaus opfern. Dabei gehört es nach Möglichkeit in die Nähe des Hauptbahnhofs und der Busterminals, es braucht gute Anbindung. Wenn es den SWR tatsächlich vom Österberg zum Europaplatz drängt, müsste man da nach einer Kombi-Lösung streben.

Das gab‘s schon mal, als der SWR in den 1990er-Jahren ins Konzerthaus an der Blauen Brücke ziehen wollte. Ein Wolkenkuckucksheim, für den überforderten Investor Wei Tsin-Fu Anfang vom Ende. Manches, was der heutige Konzerthausplaner Werner King erzählt, erinnert fatal an die „Wei-Tsin-Fu-Falle“: das Hochfliegende, fast Maßlose, dabei seltsam Unkonkrete, zum Scheitern verurteilt.

Klar ist: Solange King nicht annähernd belegt, wie (und vor allem mit wem) er das Neckar(parkkonzert)haus finanzieren will, hat er keine Chance, zumal bei der dauerskeptischen Haltung in der Stadtverwaltung. Vielleicht muss King, wie weiland Konzertbau-Kandidat Karl Schlecht, nur mit dem passenden Kontosauszug wedeln. Wenn er das nicht kann, müssen sich Tübingens Musiker über kleinere Erfolge freuen wie über zwei neue Konzertflügel. Ist auch schon was.

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Erstellt:
18.02.2017, 00:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 23sec
zuletzt aktualisiert: 18.02.2017, 00:30 Uhr

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