Tübingen · Universität

Kinder-Uni mit Uwe Ilg: Ein Public Viewing im Kopf

Nach zwei Jahren Pause feierte die Kinder-Uni im Geburtstagsjahr ihr Comeback – mit Prof. Uwe Ilg und vielen optischen Täuschungen.

26.05.2022

Von Ulrich Janßen

Bitte alle mal auf einem Bein stehen und ein Auge schließen: Solche Experimente machen im Hörsaal richtig Spaß. Bild: Ulrich Metz

Bitte alle mal auf einem Bein stehen und ein Auge schließen: Solche Experimente machen im Hörsaal richtig Spaß. Bild: Ulrich Metz

Wer dachte, bei der Kinder-Uni kann man es sich auf dem Klappstuhl gemütlich machen und entspannt dem Professor lauschen, der täuschte sich. Bei Prof. Uwe Ilg mussten die Anwesenden gleich zu Beginn der Vorlesung auf ihren Stuhl steigen und auf einem Bein stehen. Schwierig. Aber die gut 100 Kinder und Eltern im Kupferbau-Hörsaal machten brav mit und stellten Erstaunliches fest: Auf einem Bein stehen geht viel einfacher, wenn man die Augen auf hat. Die Sinne des Menschen, erklärte Ilg dieses Phänomen, beeinflussen sich nämlich gegenseitig: Der Seh-Sinn unterstützt beim Auf-einem-Fuß-Stehen den Gleichgewichtssinn.

Der großgewachsene Neurowissenschaftler, der in Jeans und weißem Hemd kam, arbeitet am Tübinger Hertie-Institut und ist ein erfahrener Kinder-Uni-Professor. Am Dienstag freute er sich sehr, dass er nach zwei Jahren Pause endlich mal wieder in einem Hörsaal auftreten konnte: „Die Kinder sind so aufmerksam, das macht richtig Spaß.“

Im Tübinger Hertie-Institut erforscht Ilg, wie das Gehirn die Botschaften der Sinne verarbeitet. Man könne sich das Gehirn so vorstellen, wie eine große Menschenmenge bei einem Public Viewing, erklärte Ilg. So wie die Menschen vor der Leinwand, so redeten auch die vielen Nervenzellen ständig miteinander, sie unterhalten sich über die Informationen, die sie vom Auge übermittelt bekommen und werten sie aus.

Und so wie beim Public Viewing die Fans der einen Mannschaft bei einem Zusammenstoß ein Foul sehen und die Fans der anderen Mannschaft nicht, so machen sich auch die Nervenzellen im Hirn ihr eigenes Bild von der Welt da draußen. Wie sehr das Gehirn die Wahrnehmung beeinflusst, das kann man prima mit optischen Täuschungen zeigen.

Ilg hatte zur Freude des Publikums jede Menge Täuschungen mitgebracht. Linien, die sich krümmen oder kürzer werden, wenn man sie mit zusätzlichen Strichen markiert. Kleider, die je nach Umgebung mehr oder weniger blau aussehen. Eine Spirale, die einen magisch in die Mitte zieht und das Gehirn dazu bringt, Dinge (oder auch Neurowissenschaftler) hinterher aufzupumpen. Ein Band von Karos, das mal nach rechts, mal nach links kutschiert. Oder ein Bild, das mal Ente, mal Hase ist. Bistabile Wahrnehmung nennt man das: „Die Nervenzellen entscheiden mal so, mal so.“

Die Kinder machten begeistert mit und probierten auch aus, wie man eine Maus auf einem Blatt Papier verschwinden lassen kann, indem man sie in den Bereich des Blinden Flecks bugsiert. Das ist die Stelle, an der im Auge das Kabel aus dem Gehirn mündet, der Sehnerv. Lichtstrahlen, die von der gezeichneten Maus zurückgeworfen werden, können dort nicht aufgefangen werden – was auch die Vorlesungsfrage beantwortete: „Warum verschwindet die Maus?“

Malwettbewerb: Weil die Kinder-Uni 20 Jahre alt wird, bekamen die Kinder zum Schluss einen Luftballon. Und einen Malwettbewerb gibt es auch. Die Bilder zum Thema Kinder-Uni kann man einscannen und an: veranstaltungen@uni-tuebingen.de schicken.

Digitale Vorlesung: Wer die Vorlesung von Uwe Ilg verpasst hat, hier gibt es das Video:

Kinder-Uni · Prof. Uwe Ilg: Warum können uns unsere Sinne täuschen?
Video: Bewegte Bilder / Hector-Stiftung

In der digitalen Kinder-Uni der Hector-Kinderakademien erklärt er, warum uns unsere Sinne täuschen können – wieder mit vielen Experimenten und Beispielen.

Die nächste Vorlesung in der neuen Kinder-Uni-Reihe hält der Tübinger KI-Forscher Wieland Brendel. Er erklärt am kommenden Dienstag, 31. Mai, warum Computer nicht einfach die Hausaufgaben der Schüler übernehmen können. Die Vorlesung beginnt um 17 Uhr im Kupferbau-Hörsaal 25, Hölderlinstraße 5.

Am 4. Juni 2002, vor fast genau zwanzig Jahren, hielt der Mineraloge Prof. Gregor Markl die erste Kinder-Uni-Vorlesung der Welt. Zum Geburtstag suchen wir junge Leute, die damals im Hörsaal waren und heute vielleicht selbst schon Professoren sind. Wer dabei war oder jemanden kennt. Bitte Mail an: redaktion@tagblatt.de

Zum Dossier: Kinder-Uni online

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Erstellt:
26.05.2022, 06:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 53sec
zuletzt aktualisiert: 26.05.2022, 06:30 Uhr

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