Horb · Gottesdienste

Kirche als Rastplatz am Wegrand des Lebens

Am Sonntag gab es in den Horber Gotteshäusern erstmals seit acht Wochen wieder Eucharistiefeiern. Eine Reportage.

11.05.2020

Von Luis Schneiderhan

Von der Corona-Pandemie geprägter Gottesdienst in der Horber Stiftskirche am Sonntag. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Von der Corona-Pandemie geprägter Gottesdienst in der Horber Stiftskirche am Sonntag. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Herzlich Willkommen zu dieser Sonderveranstaltung“, begrüßt mich Kirchengemeinderatsmitglied Ralf Dreiling am Eingang der evangelischen Kirche in Mühlen. Er ist heute zusammen mit Hariet Zils als Ordner aktiv. Ich stehe brav mit Mundschutz auf dem Klebestreifen, der zusammen mit weiteren Streifen im 1,5 Meter-Abstand auf dem Boden vor dem Eingang angebracht ist. Nachdem ich meinen Namen gesagt und auf der Liste abgehakt worden bin, bekomme ich einen kleinen Zettel, auf dem fett die Zahl 15 gedruckt ist.

Durch die große Tür hindurch werde ich von Zils empfangen – mit einer großen Flasche Desinfektionsmittel. In die frisch gereinigten Händen bekomme ich einen weiteren Zettel gedrückt. Ein Liedtext? Weit gefehlt. „Erhebungsbogen zur Nachverfolgung von Infektionsketten“ steht darauf. Meine Daten zur Anmeldung werden nämlich vier Wochen gespeichert, falls eine Covid-19 Erkrankung bei einem Gottesdienstbesucher ans Gesundheitsamt gemeldet wird.

Dann wird mir mein Platz zugewiesen: Nummer 15, ganz hinten rechts. Die Sicht ist trotzdem gut, in der kleinen Kirche sitzen nur 23 Personen, verteilt im Zwei-Meter-Abstand, auf den Bänken. 15 Einzelne Plätze im Kirchenschiff und vier Doppelsitze für Ehepaare hinter dem Altar. Eine Serviette zum Ablegen des Mundschutzes und ein Holzklotz mit einer eingravierten 15 liegen auf meiner Bank.

Um Punkt 9.30 Uhr eröffnet Pfarrer Unz den Gottesdienst. Der Begriff „One-Man-Show“ kommt mir in den Sinn, denn ohne Chor oder Gemeinde, singt und spricht er als Einziger, quasi ein Alleinunterhalter. Wegen der Ansteckungsgefahr muss die Gemeinde still bleiben – und das am „Sonntag kantate“, dem Singsonntag, an dem eigentlich besonders viel Gesang in der Messe ertönt. Trotzdem zeigt Unz sich froh, nach acht Wochen wieder einige Gemeindemitglieder begrüßen zu können. Und die Lieder solle man einfach „im Herzen nachklingen lassen“.

Die Corona-Krise bestimmt nicht nur die Abstände, sondern nimmt im Gottesdienst auch inhaltlich viel Raum ein. So sagt Unz, dass Gott auch in Krisenzeiten immer unter den Menschen sei und mit ihnen leide. Unz bezeichnet die derzeitige Situation als „Anfang des Krisenwegs“. Die Kirche sei dabei ein „Rastplatz am Wegrand unseres Lebens“. Sie und Gott gäben Kraft zum Aufstehen.

In den Fürbitten wird für die Erkrankten, die Angehörigen, einsame Menschen und auch für Verantwortliche in der Politik gebetet, damit sie die Entscheidungen gut abwägen und begründen. „Sei Du gegenwärtig und heile die Welt“, wird dabei wiederholt. Ungefähr eine halbe Stunde geht der Gottesdienst, viel kürzer als sonst. Die Predigt sei nur halb so lang gewesen, erzählt mir Pfarrer Unz. Am Ende Dankt er allen Helfern, passend zur One-Man-Show, mit einem Applaus aus dem Publikum und entlässt alle Gemeindemitglieder, der Bankreihe nach geordnet, aus der Kirche.

Keine Eucharistie


ohne Kommunion

Mein Gottesdienstbesuch ist noch nicht vorbei, denn um 10.30 Uhr beginnt der katholische Gottesdienst in der Stiftskirche. Nach der gleichen Begrüßungsprozedur finde ich mich hier auf Platz B9 hinten rechts wieder – gemeinsam mit 50 weiteren Gemeindemitgliedern, verteilt aufs große Kirchenschiff. Natürlich seien das weniger Menschen als sonst, aber man habe damit gerechnet, da man verstehen könne, wenn die Menschen sich nicht zum Gottesdienst trauen, erzählt mir einer von fünf Ordnern, die durch schicke Warnwesten gekennzeichnet sind.

Umso mehr dankt Pfarrer Morein zu Beginn der Eucharistiefeier dem Mut derjenigen, die da sind. Auch er spricht über das Wort Gottes, das auf schwierigen Wegen Orientierung gebe. Auf meinem Platz entdecke ich neben dem Klebestreifen mit einer „B9“ ein Bild von der Kanzel in der St. Mauritius-Kirche Nordstetten, die von der Abendsonne erleuchtet wird. Darunter steht geschrieben: „Dein Wort leuchtet mir auf meinen Wegen.“ Ich finde das Bild vielsagend und stecke es in meine Tasche.

Eine One-Man-Show ist der katholische Gottesdienst nicht, eher eine ausgedünnte Mannschaft. Eine Schola aus vier Sängerinnen im Drei-Meter-Abstand sorgen für schöne Klänge in der großen Kirche. Kantorin Tanja Riedmann singt nach der Lesung. Auf die Ministranten wurde verzichtet, Diakon Klaus Konrad liest aus dem Evangelium, Ursula Nagel aus der Apostelgeschichte und die Fürbitten.

Die Kommunion läuft besonders ab. Die Kirche hat sich nach Kardinal Woelki gerichtet und ein Plexiglas anfertigen lassen. Diese wird aufgeklappt und bietet von links und von vorne Schutz. Den Empfängern wird von links unten durch eine Serviette gereicht und von vorne eine Hostie daraufgelegt. Durch das Plexiglas braucht man keinen Mundschutz, der Dialog zwischen Spender und Empfänger kann stattfinden und die Hostie direkt vorne am Altar eingenommen werden. Die Plexiglasvorrichtung wurde von der Firma Brandmaier in Horb angefertigt.

Ganz schön viel Aufwand, denke ich mir. Doch für Pfarrer Morein ist das Sakrament essentiell für den Gottesdienst: „Es gibt keine Eucharistiefeier ohne Kommunionsempfang“, erklärt er mir. Und er berichtet, dass die Vorbereitung des Gottesdienstes „ziemlich wochenfüllend“ gewesen sei, seitenweise Vorkehrungen mussten getroffen werden. Das hat den Gottesdienst für ihn „schon mehr als komisch gemacht“. Den Besuchern hat der Gottesdienst sehr gefallen. Eine Frau sagt mir, dass sie sich sehr darauf gefreut hatte und das Beste aus der Situation gemacht wurde. Eine andere war angenehm überrascht und fand es sehr erhebend. Als ich aus der Kirche austrete, sind Helfer gerade dabei, die Plätze zu desinfizieren.

Vikar Klaus Konrad.

Vikar Klaus Konrad.

Pfarrer Johannes Unz.

Pfarrer Johannes Unz.

Kirche als Rastplatz am Wegrand des Lebens