Lorenzo Zimmer über die Feier-Gepflogenheiten der Jugendlichen

Aufeinander aufpassen, statt kollektiv freizudrehen

„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

20.11.2018

Von loz

Chaos auf dem Schulhof des Tübinger Kepler-Gymnasiums. Am Wochenende des Nachts feierende Jugendliche (die erfolgreich von der Platanenallee vertrieben wurden) feiern in der Uhlandstraße rauschende Feste und hinterlassen einen Scherbenhaufen. Bild: Kepler-Gymnasium

Chaos auf dem Schulhof des Tübinger Kepler-Gymnasiums. Am Wochenende des Nachts feierende Jugendliche (die erfolgreich von der Platanenallee vertrieben wurden) feiern in der Uhlandstraße rauschende Feste und hinterlassen einen Scherbenhaufen. Bild: Kepler-Gymnasium

Dieses Zitat ist, wenn seine Zuschreibung stimmt, rund zweieinhalbtausend Jahre alt: Es stammt demnach vom griechischen Philosophen Sokrates. Und es zeigt anschaulich: Die Eltern-Generation ist fest davon überzeugt, dass die nachfolgende Generation besonders respektlos und verroht ist wie noch keine andere vor ihr . Das ist also keine neue Entwicklung – ein tröstlicher Gedanke.

Und doch: Die gefühlt zunehmenden Party-Exzesse der Jugendlichen, ihre allgegenwärtige digitale Vernetzung, ihr hedonistischer Hang zur Markenvergötterung und ihre Anfälligkeit für Gruppendruck scheint auf einem Höhepunkt zu sein. Wer das nicht glaubt, muss nur mal samstags gegen 23 Uhr durch die Uhlandstraße flanieren. Alle 50 Meter dröhnt aus einer anderen Lautsprecher-Box schlechter deutscher Sprechgesang. Dazu überall Jägermeister-Flaschen und Wodka-Mischen. Sind denn jetzt alle wahnsinnig geworden?

Eins möchte ich in aller Deutlichkeit klarstellen: Wir haben in unser Jugend auch gesoffen. Manche nicht, andere schon. Wir haben in pubertärem Leichtsinn auch groben Unfug gemacht. Und am Höhepunkt des Alkoholpegels und aus heutiger Sicht auch am Höhepunkt der eigenen Dummheit zum Beispiel versucht, Straßenlaternen auszutreten.

Und doch gab es innerhalb einer Gruppe auch immer diejenigen, die aufgepasst haben, dass keine allzu großen Dummheiten passieren. Die andere Mitglieder der Gruppe zur Besinnung riefen, wenn Passanten angepöbelt, Flaschen geworfen oder zu laut rumgebrüllt wurde. Dieses gruppeninterne Regulativ scheint verloren gegangen zu sein. Gab es früher die, die beruhigend wirkten und die, die Grenzen austesten wollten, so drehen die heute sehr heterogenen Gruppen unter Alkoholeinfluss gemeinsam völlig frei.

Das macht die Ansprache durch Ordnungshüter von Polizei und Ordnungsamt noch schwieriger. Denn sie finden meistens keinen aus der Gruppe, mit dem sie vernünftig reden können. Doch dafür kann und muss der Grundstein zu Hause in der Erziehung gelegt werden. Und wenn es sein muss auch durch Konsequenzen.

Alle Schulhöfe einzuzäunen und durch ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum das Kind mit dem Bade auszukippen, kann nicht Lösung sein. Denn dadurch verlieren auch alle anderen die Freiheit, an einem lauen Sommerabend mal im Park ein Gläschen Rosé zu schlotzen. Stattdessen muss man die Jugendlichen beim Ehrgefühl sowie mit Ansprachen packen, die ihnen einleuchten. Wie wäre es, wenn die eigene Großmutter schlaflos bleibt und ihre Gesundheit leidet, weil sie nachts keine Ruhe findet? Und wie würden die Jugendlichen reagieren, wenn die eigene kleine Schwester hinkend nach Hause kommt, weil sie in die Scherbe einer Wodka-Pulle getreten ist?

Zeigt‘s dem alten Sokrates! Rafft euch, passt aufeinander auf und wascht euch gegenseitig mal den Kopf, wenn es sein muss. Denn wenn sich die Hardliner-Attitüde durchsetzt, habt ihr jungen Leute bald keinen Ort mehr, an dem ihr unter euch sein könnt. An dem ihr jung sein und feiern dürft.

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Erstellt:
20.11.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 24sec
zuletzt aktualisiert: 20.11.2018, 01:00 Uhr

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