Horb · Ökologie

„Klimagerecht zu wohnen ist kein Verzicht“

Baupionier Klemens Jakob hat den Traum eines klimaneutralen Lebens verwirklicht.

09.11.2019

Von Frank Wewoda

In diesem selbst entworfenen und gebauten Musterhaus in Rosenfeld wohnt Klemens Jakob auf 18 Quadratmetern Grundfläche. Dieses hier abgebildete Gebäude bietet Jakob als Bausatz mit 97 Teilen zum Nachbau an.Samt aller Systeme zur autarken Energie- und Wasserversorgung, Verglasung, Lehmwänden und Wintergarten wie hier koste es 60000 Euro, in der günstigsten Variante etwa 25000 Euro. Privatbild

In diesem selbst entworfenen und gebauten Musterhaus in Rosenfeld wohnt Klemens Jakob auf 18 Quadratmetern Grundfläche. Dieses hier abgebildete Gebäude bietet Jakob als Bausatz mit 97 Teilen zum Nachbau an.Samt aller Systeme zur autarken Energie- und Wasserversorgung, Verglasung, Lehmwänden und Wintergarten wie hier koste es 60 000 Euro, in der günstigsten Variante etwa 25 000 Euro. Privatbild

„Jeder Mensch braucht eine materielle Grundgeborgenheit, um sich wohl zu fühlen. Alles darüber hinaus bezahlen wir wortwörtlich mit dem Leben, mit unserer Lebenszeit“ – so lautet eine zentrale These und Maxime von Klemens Jakob, nach der er sein Leben kompromisslos ausgerichtet hat. Konsum als Möhre vor einem im Hamsterrad gefangenen Menschen, eine Schlange, beschriftet mit den Begriffen Wachstum und Gier, die sich um das Gestänge legt – die Überschrift zu dieser Karikatur lautet „Nutzmenschhaltung in Deutschland“.

Klemens Jakob erklärt anhand dieser Zeichnung, die er per Beamer an die Wand im Horber Kloster wirft, warum er einst seine sichere Laufbahn bei der damaligen Deutschen Post aufgegeben habe. Erst reiste er um die Welt, dem Selbstverständnis nach ein Künstler. Später eignete er sich viele neue Kenntnisse an, arbeitete als selbständiger Baubiologe, gründete schließlich ein Unternehmen im Photovoltaikbereich. Die Suche nach der eigenen Identität, seine teils abenteuerliche Entwicklungs- und Lebensgeschichte, wird beim Vortrag während der Horber Friedenstage jedoch zum Anker und Kern der Erzählung, von dem aus er immer wieder sein heutiges Tun und Handeln reflektiert und erklärt.

Es ist eine fesselnde Geschichte, die mehr Zuhörer als rund 20 verdient hätte. Jakobs zentrales Thema ist so aktuell wie nie: Wie können wir als Einzelperson jeden Tag inmitten einer zunehmend technisierten und digitalisierten Industriegesellschaft klimaneutral leben – also „enkelgerecht“, wie Jakob schmunzelnd sagt? Er präsentiert sich nicht als Besessener seiner Idee: „Ich möchte nicht auf Kosten anderer Menschen leben“, beschreibt er diese knapp. Für sich selbst hat er entschieden, so autark und unabhängig wie möglich von Wirtschaft, Gesellschaft, dem Staat und dessen Systemen zu bleiben. So reifte die Idee eines energieautonomen, aber auch wasserautarken Hauses auf möglichst kleinem Raum, um den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Verzicht sei dies aber keineswegs. Sein im Bauwesen gesammeltes Wissen nutzte er für die Planung seines eigenen „Tiny House“, wie Häuser auf kleinstem Raum international genannt werden.

Doch nicht nur für sich selbst wollte er dieses konstruieren, sondern plante gleich eine Serienproduktion, um möglichst viele Nachahmer zu finden. Nun bietet er den Bausatz zum Verkauf an, lebt im Prototypen und Musterhaus des in Rosenfeld zusammengezimmerten ersten Bausatzes. „Ein selbstbestimmtes Leben“ verspricht der Öko-Pionier mit Wasserversorgung gemäß eines „Null-Wasser-Konzepts“, garantiert durch die Technik einer Pflanzenkläranlage, eines Filters und einer UV-Entkeimung.

„Grauwasser“, wie das in Haushalten verwendete Wasser (außer jenes aus der Toilette) bezeichnet wird, bereitet er in einem steten Kreislauf neu auf. Da auch eine „Trockentrenntoilette“ zum Konzept gehört, sei das Haus autark von der Wasserversorgung. Dies alles bringt Jakob weder missionarisch noch kulturpessimistisch vor, obwohl er zum Beispiel Smartphones für „Massenverblödung“ hält. Seine persönliche Botschaft ist glaubwürdig, weil er eigene Schwächen einräumt.

Geflogen sei er etwa äußerst viel in der Vergangenheit, auf Rotwein am Abend und Espresso am Morgen verzichte er nicht, auch ein Handy und einen Laptop nutzt er. Am Ende fragt er im Kloster freundlich ins Publikum: Könnte mich jemand nach Rosenfeld mitnehmen? Schlimmstenfalls hole ihn ein Bekannter mit dem Auto ab. Für ein „enkelgerechtes“ Leben im Stil von Jakob braucht es neben einem wasser- und energieautarken Haus wohl auch noch Offenheit und viel Talent zur Improvisation.

Klemens Jakob beim Vortrag im Horber Kloster. Bild: Frank Wewoda

Klemens Jakob beim Vortrag im Horber Kloster. Bild: Frank Wewoda

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Erstellt:
09.11.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 09.11.2019, 01:00 Uhr

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