Altpapier

Kommt die kommunale blaue Tonne?

Die Bündelsammlung der Vereine lief jahrelang gut – doch jetzt könnte sich alles ändern.

16.11.2016

Von Lorenzo Zimmer

Kommt die kommunale blaue Tonne?

Das Landratsamt will eine kommunale Altpapiertonne einführen. Darüber berät heute der Kreistag (Beginn der Sitzung um 15 Uhr im Landratsamt). Ein Entwurf sieht vor, ab 2018 eine kostenlose Tonne zu verteilen. „Die Kosten dafür wären durch die Restmüllgebühren bereits abgedeckt“, erklärt Sybille Kiefer, Abteilungleiterin der Abfallwirtschaft. Aber warum jetzt eine Tonne, wenn doch die Sammlung durch die Vereine funktioniert? Das begründet die Kreisverwaltung mit einem Gerichtsurteil. Bereits 2008 stellten private Abfallwirtschaftsbetriebe zunehmend Tonnen im Landkreis auf. 2012 entschied die Bundesregierung in Berlin für eine Anzeigepflicht solcher Sammlungen bei der zuständigen Abfallwirtschaftsbehörde – im Kreis Tübingen ist das das Landratsamt.

Es wollte den Privatbetrieben fortan verbieten, Tonnen aufzustellen. Ein Unternehmen reagierte mit einer Klage – und betrieb die blauen Papierbehälter bis zu einer Entscheidung weiter. Vor kurzem kam das Verwaltungsgericht Sigmaringen zu einer Entscheidung: Das grundsätzliche Verbot, Tonnen aufzustellen, ist nicht rechtmäßig.

Profitiert hatten von dem Tonnenverbot vor allem die Vereine. Sie konnten mit der alleinigen Bündelsammlung ihre Kassen aufbessern. Doch durch die Tonnen von Privatbetrieben im Landkreis, könnte sich ihr Erlös erheblich dezimieren. Außerdem fürchtet der Landkreis eine sinkende Versorgungssicherheit, wenn Wirtschaftsunternehmen einsteigen: „Wir als Landkreis haben die Entsorgungspflicht“, so Kiefer.

Unternehmen könnten jedoch sofort wieder abspringen, wenn das Geschäft nicht lohnenswert sein sollte: „Wenn es zu Problemen kommt, stellt er das Sammeln ein und der Verbraucher sitzt auf seinem Müll.“ Und auch im gegenteiligen Fall könnte eine Abholung durch den Landkreis laut Kiefer besser für den Verbraucher sein: „Wenn nämlich mit der Sammlung Gewinn erzielt wird, können wir das durch die Abfallgebühren auf den Verbraucher umlegen.“ Von einem Wirtschaftsbetrieb könne man das hingegen wohl eher nicht erwarten.

Um also ein Chaos mit vielen verschiedenen, konkurrienden Tonnenanbietern zu verhindern, will der Landkreis selbst blaue Plastikbehälter aufstellen. Auch das dürfte aber den Vereinen schaden. Deshalb sollen sie nur an diejenigen Haushalte geliefert werden, die sich freiwillig für eine Tonne melden. So bliebe laut Kiefer dem Verbraucher selbst überlassen, ob er Bündel schnüren oder eine Tonne verwenden will. Den Vereinen will der Landkreis weiterhin die gewohnte Vergütung von 49 Euro pro 1000 Kilogramm Altpapier bezahlen.

Die sammelnden Vereine, die sich im Tübinger Verein für Rohstoffrecycling (VZR) organisieren, sind von den Aussichten gar nicht begeistert. Nach ihren Erwartungen könnte die Menge des zu sammelnden Altpapiers durch die blauen Tonnen um rund 50 Prozent schwinden. Damit reduziert sich auch ihr Erlös: Das führe dazu, „dass wohl etliche Vereine keine Chance sehen, ab 2018 weiter zu machen“, so der VZR-Vorsitzende Roland Schindler in einer Mitteilung an die Vereinsmitglieder.

Am 28. November kommt der VZR zu seiner Hauptversammlung zusammen und diskutiert die jüngsten Entwicklungen. Vom Vorstand war bis zum gestrigen Redaktionsschluss niemand zu erreichen. Norbert Vollmer, Vorsitzender des TV Rottenburg, der ebenfalls an den Sammelaktionen beteiligt ist, blickt nicht allzu positiv in die Zukunft: „Die Erlöse sind zurückgegangen, die Kosten gestiegen.“ Kämen jetzt auch noch die Tonnen auf die Straße, sieht Vollmer schwarz für die dringend benötigte Einnahmequelle der Vereine: „Obwohl uns Vertreter fast aller Kreistagsfraktionen seit Jahren unterstützen, wird das funktionierende Modell in die Tonne getreten.“