Horb · Lotzer-Haus

„Konnten uns nicht durchsetzen“

Kein Erfolg aus formalen Gründen: Die Stadt Horb hat bereits vor Monaten die Beschwerde gegen Mayk Herzog zurückgezogen. Doch noch gibt sich die Verwaltung nicht geschlagen, meint Bürgermeister Ralph Zimmermann.

21.11.2020

Von Dagmar Stepper

Alle 44 Mieter des Lotzer-Hauses müssen wegen einer Zwangsräumung angeschrieben werden. Das dauert seine Zeit. Bild: Karl-Heinz Kuball

Alle 44 Mieter des Lotzer-Hauses müssen wegen einer Zwangsräumung angeschrieben werden. Das dauert seine Zeit. Bild: Karl-Heinz Kuball

Seit eineinhalb Jahren strebt die Stadt Horb die Räumung des Sebastian-Lotzer-Hauses an. „Verstöße gegen das Baurecht und des Brandschutzes“, sind die Gründe. Doch als im Mai 2019 die Stadt ernst machen wollte, legte Architekt Mayk Herzog Widerspruch beim Verwaltungsgericht Karlsruhe ein. Mit Erfolg. Das Gericht begründete, es müsse erst in einem Hauptverfahren prüfen, ob die Räumung rechtmäßig und angemessen sei. Mehr als ein Jahr
ist vergangen, kein Urteil, keine Räumung.

Jetzt ergeben Recherchen der SÜDWEST PRESSE: Die Stadt Horb hat zurückgezogen. Der Grund? Die Stadt sah beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg keine Aussicht auf Erfolg, nicht aus „inhaltlichen Gründen, sondern aus formalen“, erklärt Bürgermeister Ralph Zimmermann gegenüber unserer Zeitung.

„Die Räumungsverfügung wurde gegen die falsche Person gestellt“, sagt er. Statt gegen Herzogs frühere Frau als Eigentümerin des Gebäudes hätte gegen jeden einzelnen Mieter eine Räumungsverfügung ergehen müssen.

Das sei allerdings gar nicht so einfach, gibt Zimmermann zu. 44 Personen sind gerade im Lotzer-Haus gemeldet. „Doch du weißt nicht, wer da wo wohnt“, schildert Zimmermann die Lage. Genau diese Information benötigt die gerichtliche Zustellung einer Räumungsverfügung jedoch. Die Stadt hat Herzog daraufhin aufgefordert, diese Informationen zur Verfügung zu stellen. „So wurde Herr Herzog seitens der Baurechtsbehörde mit der Entscheidung vom 12.11.2019 dazu verpflichtet, die einzelnen Mieter im Gebäude und deren Zuordnung zur konkreten Wohnung, bzw. Appartement zu benennen“, schreibt die Horber Pressestelle auf unsere Anfrage. Dagegen habe sich Herzog zu wehren versucht. Doch hier habe die Stadt ein Etappenziel erreicht. „Er ist verpflichtet, alle Adressen zur Verfügung zu stellen“, sagt Zimmermann.

Scheinbar konnten allerdings immer noch nicht alle Räumungsverfügungen den einzelnen Mietern zugestellt werden.
Es wird mit „Hochdruck“ daran gearbeitet, schreibt die Stadt. Dabei ist seit der Verpflichtung von Herzog, diese Informationen zu liefern, bereits über ein Jahr verstrichen.

Vorlage von Unterlagen steht aus

Den Rückzug hatte das Verwaltungsgericht Karlsruhe zuvor gegenüber unserer Zeitung bestätigt: Die Stadt Horb habe ihre Beschwerde gegen den Widerruf von Herzog und die aufschiebende Wirkung zurückgezogen. „In der Folge ist beim Verwaltungsgericht Karlsruhe keine Hauptsacheklage bezüglich einer Zwangsräumung des Lotzer-Hauses eingegangen“, schreibt Gerichtspressesprecherin Inga Behrens.

Der Vorgang ist bemerkenswert: Immer wieder hatte die Stadt auf Anfragen hin erklärt, dass sie noch auf das Urteil aus Karlsruhe warte. Nun rudert Zimmermann zurück: „Wir konnten uns nicht durchsetzen“, sagte er am Freitag am Telefon.

Aber wie gravierend sind die Baumängel und mögliche Verstöße gegen den Brandschutz? Ist eine Zwangsräumung wirklich notwendig und durchsetzbar? „Der Einbau sämtlicher Appartements in dem Gebäude ist bekanntermaßen ohne die hierfür erforderliche baurechtliche Genehmigung erfolgt“, schreibt die Stadt.

Am 6. Juli 2020 hat die Stadt von Herzog „vollständige und prüffähige Bauvorlagen angefordert“. Dagegen hat Herzog Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden wurde. Doch auch ohne diese angeforderten Bauvorlagen könne festgestellt werden, dass verschiedene baurechtliche Mängel bei dem Gebäude – wie abweichende Feuerwiderstände bei Bauteilen – bestehen, „was nach Auffassung der Baurechtsbehörde durch die mutmaßlich funktionsfähige Brandmeldeanlage nicht vollumfänglich kompensiert werden kann“, schreibt die Stadt.

Strebt die Stadt daher weiterhin eine Räumung an, oder kapituliert sie nun vor Herzog? „Die Stadtverwaltung strebt in allen Gebäuden im Stadtgebiet ordnungsgemäße Zustände an, um die Bewohner unserer Stadt zu schützen“, heißt es aus dem Rathaus. Daher könne die Räumung eines Gebäudes „ein Zwangsmittel der Vollstreckung sein, wenn andere Maßnahmen nicht greifen“.

Dass eine Zwangsräumung möglich ist, zeigt ein Beispiel Wuppertal: Dort hat die Stadt 2017 kurzerhand 72 Personen wegen einer brennbaren Fassade und mangelhaften Rettungswegen aus einem Hochhaus evakuiert – gegen den Willen des Vermieters.

Wie Herzog die Sache sieht, war am Freitagabend nicht zu erfahren. Der Architekt war am Abend für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.