Psychologie

Konzentration

E-Mails checken, mit Kollegen plaudern, ans Telefon gehen: Nicht immer ist es leicht, sich ausschließlich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Es sei denn, man erreicht den Zustand des „Deep Work“.

03.06.2023

Von dpa

„Das Gefühl, in dem aufzugehen, was wir tun“: Wer während seiner Arbeit in einen Flow kommt, hat gute Voraussetzungen, außergewöhnliche Leistungen zu bringen.  Foto: Christin Klose/dpa-tmn

„Das Gefühl, in dem aufzugehen, was wir tun“: Wer während seiner Arbeit in einen Flow kommt, hat gute Voraussetzungen, außergewöhnliche Leistungen zu bringen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Schreibt sich die Seminararbeit beinahe wie von alleine, schwebt der Zeichenstift nur so über das Papier, sitzt jeder Handgriff und alle Gedanken ergeben Sinn, erlebt man den sogenannten Flow. „Ein mentaler Zustand, bei dem wir völlig vertieft in die Aufgabe sind, die wir gerade erledigen“, so Petra Weber, Gründerin und Beraterin des Coachingzentrums Heidelberg.

Höchste Konzentration, große Freude an der Arbeit und das gute Gefühl, etwas zu schaffen – ein Flow-Erlebnis nehmen die meisten Menschen als positiv wahr. „Wir haben das Gefühl, in dem aufzugehen, was wir tun. Wir vergessen die Zeit und die Umgebung, weil wir so in die Aufgabe vertieft sind“, sagt Weber. Insgesamt sei das ein Zustand, „der unserem Gehirn sehr gut tut, eine Art Glückserleben“.

Doch nicht immer und überall lässt sich dieser Zustand erreichen. Laut Jürgen Walter, Psychologe und Berater für Arbeit und Gesundheit, müssen dafür die Herausforderungen der Arbeit in einem ausgewogenen Verhältnis „zu den Fähigkeiten und dem Wissen der Person stehen“. Sind die Aufgaben zu einfach, kann das zu Langeweile führen. Zu schwierige Aufgaben verursachen womöglich Stress und Frustration.

Auch was wir tun, spielt eine Rolle. Das Flow-Erleben könne zwar bei vielen ganz unterschiedlichen Tätigkeiten auftreten: bei kreativen Arbeiten wie Malen, Schreiben oder Komponieren etwa, beim Sport, beim Handwerk, beim Programmieren oder Designen. Oft seien es aber Aufgaben, die herausfordernd sind, die Konzentration und Aufmerksamkeit bündeln, sagt Petra Weber. „Und es braucht eine Aufgabe, für die ich intrinsisch motiviert bin, mit einem klaren Nutzen und Ziel.“

Wie das Arbeiten in tiefster Konzentration aussehen kann, hat der amerikanische Professor für Informatik, Cal Newport, beleuchtet. In seinem Konzept „Deep Work“ geht es darum, sich bewusst von äußeren Ablenkungen abzugrenzen und gezielt in eine tiefe Konzentration zu kommen. „Deep Work beschreibt eine Konzentration, die mich an meine geistige Kapazitätsgrenze bringt“, sagt Petra Weber. „Die Leistung, die ich in diesem Zustand erbringe, schafft neue Werte und ist für andere schwer zu kopieren.“

„Es sieht so aus, als sei Konzentration trainierbar“, sagt Weber. „Ich kann die neuronalen Netzwerke für Konzentration im Gehirn ausbauen, indem ich sie immer wieder benutze. Aber tiefe Konzentration ist auch sehr anstrengend, weshalb wir alle dazu neigen, uns gerne ablenken zu lassen.“ Der wohl wichtigste Rat, um ins konzentrierte Arbeiten zu kommen, lautet: Ablenkungen vermeiden. Es brauche eine Umgebung, die frei davon ist, so Weber. „Das heißt, ich sollte das Telefon ausstellen, nicht benötigte Computeranwendungen schließen und auch der Familie oder Kollegen mitteilen, dass ich jetzt nicht ansprechbar bin.“

Außerdem sollte man darauf achten, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen, rät Jürgen Walter. „Stellen Sie sicher, dass Ihr Arbeitsplatz aufgeräumt und organisiert ist, dass Sie sich wohlfühlen.“ Auf dem Weg zur tiefen Konzentration könnten auch Routinen oder Rituale helfen, so Petra Weber. Feste Arbeitszeiten hätten sich beispielsweise als sehr hilfreich erwiesen. Ein weiterer Tipp: „Definieren Sie vor Beginn der Arbeit klare Ziele und Prioritäten“, empfiehlt Jürgen Walter. „Das hilft Ihnen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.“ Um den Einstieg ins konzentrierte Arbeiten zu finden, empfiehlt der Psychologe die Anwendung der sogenannten „Pomodoro-Technik“. Dabei wird die Tätigkeit in Zeitintervalle von 25 Minuten unterteilt und nach jeder Einheit eine kleine Pause eingelegt. Diese Methode könne dazu beitragen, die Konzentration und Energie besser zu erhalten.

Wenn gar nichts mehr geht, hilft am besten Bewegung. „Ein kurzer Spaziergang oder eine leichte körperliche Aktivität kann dazu beitragen, Ihre Gedanken zu klären und den Geist zu erfrischen“, sagt Walter. Ebenfalls wichtig: Nach der Arbeit abschalten. „Echte geistige Produktivität braucht auch wieder Muße, damit das Unterbewusste nacharbeiten kann“, erklärt Weber.

Wer es schafft, in den vielzitierten Flow zu kommen, kann sich freuen. „Wenn der Mensch im Flow ist, kann eine Aufgabe viel schneller und effektiver erledigt werden“, sagt Jürgen Walter. Neben der erhöhten Produktivität wirken sich auch eine gesteigerte Kreativität und ein höheres Wohlbefinden positiv auf den Menschen aus. Aber es gibt auch Nachteile. Wer über längere Zeiträume im Flow bleibt, keine Pausen einlegt und ein Ziel weiter verfolgt, das objektiv betrachtet nicht erreichbar ist, läuft Gefahr in einen Burn-out zu kommen.

Auch Isolation und Entfremdung sowie einen Mangel an Abwechslung im Leben sieht Walter als mögliche Nachteile des übertriebenen Abtauchens in die Konzentration. In Extremfällen könne sich aus dem Zustand des Flow auch eine Sucht entwickeln. Im schlechtesten Fall drohtein Burnout. Anke Dankers, dpa

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Erstellt:
03.06.2023, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 03.06.2023, 06:00 Uhr

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