Kratzlümmel wieder unterwegs

Sachbeschädigung Totalschaden – so lautet die Diagnose für den Opel des jungen Familienvater Thomas Reimers. Nachdem es einige Zeit ruhig war, werden in Nordstetten wieder Autos zerkratzt. Die Polizei hat einen Verdacht.

12.11.2016

Von Benjamin Breitmaier

Schon wieder hat ein Sachbeschädiger, der es auf Autos abgesehen hat, schlug in Nordstetten zu. Sein Motiv? Niemand weiß es.Bild: Breitmaier

Schon wieder hat ein Sachbeschädiger, der es auf Autos abgesehen hat, schlug in Nordstetten zu. Sein Motiv? Niemand weiß es.Bild: Breitmaier

Novembermorgen, der gestrige Freitag – in der nasskalten Nordstetter Hauptstraße bringt Familienvater Thomas Reimers sein Töchterchen zur Bushaltestelle. Die Uhr zeigt kurz vor halb acht, das Licht bricht nur mühsam durch das tiefe Grau des Himmels.

Mittlerweile ist er zu einem Ritual geworden, der kleine Kontrollgang. Jeden Morgen inspiziert Reimers sein Fahrzeug. Erst recht, seitdem er den Opel seines Bruders vor ein paar Wochen gekauft hat. Ein schickes Vehikel, nicht neu, aber gut in Schuss. Die Fahrzeugkontrolle ist Standard geworden, seit damals – der Nacht zum 24. September. Reimers kam noch einmal mit dem Schrecken davon. Sechs Autos wurden beschädigt, Scheibenwischer abgerissen, Karosserien zerkratzt. Ein paar Tage später ging die Zerstörungstour in der Hauptstraße weiter, nur ein paar Meter von Reimers‘ Haus entfernt – fünf Autos nahmen Schaden. Die Polizei konnte den Täter bis heute nicht dingfest machen.

Reimers geht auf seinen grauen Opel zu. Und tatsächlich: Tiefe Striemen ziehen sich über die komplette Fahrerseite. „Scheiße“, das war sein erster Gedanke. Er schaut auf den Kofferraum. Trotz Regentropfen sind sie auch hier deutlich zu erkennen: Kratzer, die sich in einem scheinbar willkürlichen Muster neben dem Opelzeichen ihren Weg durch die oberste Schicht der ansonsten einwandfreien Klappe ziehen. Nicht einmal das Dach wurde verschont.

Reimers ruft die Polizei. Wieder einmal muss sie ausrücken, um die Ergebnisse scheinbar blinder Zerstörungswut zu inspizieren. Andere Autos wurden in der Nacht zum Freitag nicht beschädigt. Doch für Reimers bedeutet der Anschlag auf sein Hab und Gut, dass der Familienvater die nächsten zwei Jahre mit einem entstellten Wagen durch die Gegend fahren muss. Er hat nur eine Teilkaskoversicherung. Wieder ein neues Auto zu kaufen, ist finanziell nicht drin. „Totalschaden“ – die Diagnose der Beamten kommt hart und schnell. Sie trafen um etwa 8 Uhr in der Nordstetter Hauptstraße ein. Was die Ermittlungen angeht, können die Polizisten wenig Hoffnung machen. Beim letzten Mal konnte noch ein Fußabdruck untersucht werden. Heute haben sie nicht viel mehr als die Kratzer im Auto.

„Wir haben einen Tatverdacht, der muss noch ermittelt werden“, erklärt Werner Gauss, stellvertretender Revierleiter in Horb. Ärgerlich ist jedoch: Ohne Zeugen fallen die Ermittlungen schwer. Auch beim Thema Motiv bleibt Gauss nur eine mögliche Erklärung: „Zerstörungswut.“

Straßenlampen brannten nachts

„Ich höre das von Ihnen das erste Mal, dass es wieder vorgekommen ist. Das ist wirklich ärgerlich, dass so unnützes Zeug gemacht wird“ – Edith Barth ist sauer. Die Nordstetter Ortsvorsteherin hatte gehofft, dass nach den Vorkommnissen im September endlich Ruhe eingekehrt wäre. Eine Bürgerin hatte Barth damals gebeten, die Straßenbeleuchtung im Nordstetter Zentrum durchgehend an zu lassen. „Ich habe mich mit Horb in
Verbindung gesetzt, das war dann kein Problem“, erklärt Barth. Seit etwa einer Woche ging das Licht wieder pünktlich um halb eins aus. Jetzt gab es wieder einen Vorfall.

Doch als dauerhafte Lösung sieht Barth eine durchgehende Beleuchtung nicht: „Ich kann das schon wieder machen, aber auf Dauer denke ich, dass es dem Täter egal ist, ob nachts das Licht an ist, oder nicht. Der braucht dafür nur Sekunden.“

Jetzt will die Ortsvorsteherin mit der Polizei Kontakt aufnehmen, um weitere Schritte zu diskutieren. Ihre Wut über das Maß an Sinnlosigkeit kann sie kaum verhehlen: „Jetzt bin ich natürlich selber frustriert. Dass das jetzt wieder losgeht, macht mich sprachlos. Sonst war es in Nordstetten relativ ruhig. Jetzt nimmt das massiv zu.“

„Horror“, sagt eine Nachbarin. Reimers steht vor seinem Auto. Er nickt ihr zu, „Ja“. Nur ein paar Meter weiter steht ein weiterer Opel, der im September schon zerkratzt wurde. Im Nordstetter Zentrum fragen sich nun wieder die Menschen: „Welches Auto ist als nächstes dran?“