Freudenstadt · Kreativwirtschaft

Kreativität als Kohle der Zukunft

Ob Freudenstadt als Mittelzentrum das Potenzial für ein Kreativzentrum hat, soll eine Studie herausfinden. Eine Onlineumfrage ermittelt die Bedürfnisse Kreativschaffender in der Region.

05.12.2019

Von Dunja Bernhard

Prof. Martin Engstler, Tina Eberhardt, Rudolf Müller, Victoria Heinzel und Elke Latscha arbeiten zusammen beim Creative Lab. Bild: Dunja Bernhard

Prof. Martin Engstler, Tina Eberhardt, Rudolf Müller, Victoria Heinzel und Elke Latscha arbeiten zusammen beim Creative Lab. Bild: Dunja Bernhard

Mit der Überlegung ein Kreativzentrum in einem Mittelzentrum wie Freudenstadt einzurichten, geht die Stadt nach der Eröffnung des Campus‘ Freudenstadt einen weiteren wichtigen Schritt, Freudenstadt als Zukunftsstandort zu sichern.

Mit dem gestrigen Pressetermin soll das Projekt, das von der Hochschule der Medien Stuttgart mit einer Studie begleitet wird, der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Kreativschaffende aus Kultur, Medien, Handwerk und Unternehmen sollen so auf die Online-Umfrage aufmerksam gemacht werden, aus der sich die Daten für die Machbarkeit eines Kreativzentrums in Freudenstadt speisen.

Die Entwicklung von der ersten Idee bis zur 20000 Euro teuren Studie sei mal in kleinen und mal in großen Schritten vorangegangen, sagte Rudolf Müller, Leiter des Stadtentwicklungsamts. Freudenstadt soll der Mittelpunkt eines Kreativzentrum im Ländlichen Raum werden, der die Region mit einbezieht.

An Mittelzentrum anpassen

Der Begriff Kreativzentrum steht in Baden-Württemberg bisher vor allem für Stadtquartiere oder große Gebäudeareale in Großstädten wie Karlsruhe, Pforzheim oder Freiburg. Ein Kreativzentrum in Freudenstadt sollte an die Bedürfnisse eines Mittelzentrums angepasst werden, sagte Müller.

Mit einem Kreativzentrum könnten weitere Akteure, als die die schon im Netzwerk Kreativwirtschaft dabei sind, „wachgeküsst werden“. In der Region um Freudenstadt, in der der Mittelstand wirtschaftlich eine große Rolle spielt, sollen mittelständische Unternehmen mit Kreativschaffenden zusammengebracht werden. Große Unternehmen leisteten sich dafür eigene Abteilungen, sagte Müller. Er sieht die Verwaltung mit Wirtschaftsförderung und Tourismusbereich als Schmelztiegel, der Kreative und Mittelständler zusammenbringt.

Zukünftig werden neue Methoden nötig sein, um sich als Unternehmen oder Verwaltung in der Arbeitswelt behaupten zu können. Die Analyse sollte von außen kommen, wie künftig mit Mitarbeitern umzugehen sei. „Das ist die Aufgabe der Kreativwirtschaft.“ Künftig werde es weniger hierarchisch zugehen, ist Müller überzeugt. Mit einem Kreativzentrum könnten Menschen gewonnen werden, die eine Ahnung haben, wie das gehen könnte und die den Unternehmen etwas bringen. Nur wenn es einen Effekt für die Unternehmen habe, investierten sie. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter hänge nicht mehr nur vom Gehalt ab, sagte Müller. „Sie wollen in Entscheidungen eingebunden werden.“ Trotz der angespannten Haushaltslage, wolle die Stadt das Projekt weiterentwickeln.

Die Kreativwirtschaft ist die viertgrößte Branche, sagte Tina Eberhardt von Aprinium, Sie begleitet das Projekt beratend. Kreatives Arbeiten ähnel der Vorgehensweise von mittelständischen Unternehmen, die immer wieder ihre Produktpalette anpassen müssen. In Freudenstadt soll ein kreatives Ökosystem entstehen, dass weitere Kreativschaffende anzieht. Kreativität sei der Wirtschaftsfaktor der Zukunft. „Kreativität ist in 10 bis 20 Jahren das, was früher Öl oder Kohle waren.“ Die Kreativwirtschaft bekomme schon jetzt viel Aufmerksamkeit von Land und Bund. Vor allem in Ostdeutschland, wo verrottete Betriebe belebt werden sollen.

In Baden-Württemberg mit seiner starken Wirtschaft sei die Situation eine andere. Hier müsse eine daran angepasste Lösung gefunden werden. „Es gibt keine Vorbilder.“ Aber es gebe Projekte, von denen man lernen könne. Nun müsse man in „verdaulichen Schritten“ alle Interessierten mitnehmen.

Lernort für neue Arbeitsformen

Prof. Martin Engstler von der Hochschule der Medien Stuttgart sagte: „Kreativschaffende arbeiten sehr stark überregional. Sie sind standortunabhängig, wenn ein leistungsfähiges Breitbandangebot vorhanden ist. Für den Ländlichen Raum entschieden sie sich wegen der schönen Umgebung oder der Familienanbindung. Kreative wollten nicht allein sein, aber als Kleinstunternehmer auch nicht unbedingt wachsen. „Sie wollen flexibel bleiben.“

Bei der Suche nach einem Partner für Aufträge spiele Vertrauen eine große Rolle. „Der Kooperationswille ist hoch.“ Ein Kreativzentrum könne ein Lernort für neue Arbeitsformen sein, indem Kreative und Ingenieure gemeinsam nach Lösungen suchen.

Arbeiten im öffentlichen Raum

Die Entscheidung für ein Auto könne anhand der PS-Zahl oder des Designs fallen, sagte Engstler. Dieses Beispiel verdeutliche, dass Käufer unterschiedliche Ansprüche an ein Produkt haben. Um sie zu erfüllen, arbeiten verschiedene Branchen zusammen. Früher trafen sich Kreative in Caféhäusern, sagte er. Der öffentliche Raum sollte wieder als Arbeitsstätte gesehen werden. So entstünden ganz zufällige Kooperationen.

Die Kreativwirtschaft umfasst elf Teilbereiche

Seit 2015 seien sie an dem Thema dran, sagte Rudolf Müller, Leiter des Amts für Stadtentwicklung. Damals gründete sich das Netzwerk Kreativwirtschaft „Zukunft. Denken“.

2017 stellte der Gemeinderat den Antrag, die Machbarkeit eines Kreativzentrums in Freudenstadt zu prüfen.

Eine Konzeptskizze und Workshops mit Kreativschaffenden, Vertretern der Verwaltung und aus Unternehmen folgten.

Mit der Studie „Creativ Lab Freudenstadt“ der Hochschule der Medien Stuttgart folgt nun der erste konkrete Schritt, um den Bedarf für ein Kreativzentrum in Freudenstadt zu ermitteln. Daten werden in einer Online-Umfrage und durch Experteninterviews erhoben. Die Ergebnisse sollen Anfang Januar vorliegen und die Grundlage sein für eine Entscheidung, ob und in welcher Form ein Kreativzentrum für Freudenstadt umgesetzt werden kann. Die Kreativwirtschaft umfasst elf Teilbereiche. Freudenstadt will sich zunächst auf drei konzentrieren: Architektur, Design, Handwerk.

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Erstellt:
05.12.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 23sec
zuletzt aktualisiert: 05.12.2019, 01:00 Uhr

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