Doping-Jäger blieben untätig, obwohl es bereits 2014 Indizien gab

Kritik an britischen Ermittlern

Die schwerwiegenden Enthüllungen um den Londoner Arzt Mark Bonar setzen auch die britische Anti-Doping-Agentur unter Druck, weil sie einen anonymen Zeugen und dessen Belege offenbar ignorierte.

05.04.2016

Von SID

Recherchen der ARD und der Londoner Sunday Times haben den Doping-Skandal im englischen Spitzensport ins Rollen gebracht. Foto: dpa

Recherchen der ARD und der Londoner Sunday Times haben den Doping-Skandal im englischen Spitzensport ins Rollen gebracht. Foto: dpa

Berlin/London. Die Beschuldigten wollen von einem Skandal nichts wissen - dafür konzentriert sich die Kritik nach den Enthüllungen über angeblich 150 gedopte britische Topsportler auf die nationale Anti-Doping-Agentur Ukad. Inzwischen hat sich auch die Politik eingeschaltet, der britische Sportminister John Whittingdale kündigte eine Untersuchung der Vorwürfe an, denenzufolge die Organisation seit zwei Jahren informiert war, aber keine Schritte einleitete.

Für die Ukad, aber auch die Anti-Doping-Kämpfer weltweit, kommen die Beschuldigungen zur Unzeit. Bisher galt die britische Organisation als Vorbild und hat derzeit eine Schlüsselrolle im Weltsport inne.

Nach dem Skandal in der russischen Leichtathletik ist die Ukad für die Dopingkontrollen im russischen Sport zuständig. Zudem berät sie die Task Force des Internationalen Olympischen Komitees vor den Sommerspielen in Rio de Janeiro. Dort soll die Ukad unter anderem Lücken im Kontrollsystem aufdecken. Die Vorwürfe gegen die Vorzeigeorganisation verschlimmern nun die Glaubwürdigkeitskrise des internationalen Sports.

"Es sind ziemlich schreckliche Nachrichten", sagte Craig Reedie, Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) bei BBC 5. Der bisher nicht unbedingt als kompromissloser Aufklärer aufgefallene Brite betonte aber auch, dass man zuerst die interne Untersuchung der Ukad abwarten solle: "Dann haben wir das gesamte Wissen und die Fakten, mit denen wir arbeiten können. Mein Eindruck ist: Hätten sie ausreichende Beweise gehabt, hätten sie auch gehandelt." Daran bestehen aber Zweifel: Obwohl sich bereits Anfang 2014 ein anonymer Zeuge - angeblich ein Amateurradfahrer - an die Agentur gewandt hatte und den Arzt Dr. Mark Bonar beschuldigte, sah sich die Ukad nicht zum Handeln imstande. Man hätte nur Maßnahmen gegen Personen ergreifen können, die unter die Sportgerichtsbarkeit fielen, erklärte die Vorstandsvorsitzende Nicole Sapstead. Warum die Ukad aber die Informationen nicht zumindest an das General Medical Council (GMC), die britische Ärztekammer, weiterleitete, ist ungeklärt.

Bonar selbst hatte in der Dokumentation vor versteckter Kamera angegeben, 150 britische Sportler, darunter auch Fußballer aus englischen Topklubs, mit Dopingmitteln versorgt zu haben. Alle in Verdacht geratenen Vereine wiesen dies unmittelbar zurück. Beschuldigt wurden zudem auch Kricket-Spieler, Tour-de-France-Teilnehmer und ein britischer Boxer.

Inzwischen hat die Klinik, in der Bonar private Praxisräume gemietet hatte, den Vertrag mit ihm aufgelöst. Es war bekannt geworden, dass der 38-Jährige keine Lizenz der GMC besitzt und damit eigentlich nicht hätte praktizieren dürfen. Zudem teilte die Klinik mit, dass es in ihren Aufzeichnungen keine Hinweise darauf gebe, dass andere britische Topsportler Bonars Praxis besuchten.