Schülerfahrkarten

Künftig gibt’s ein Azubi-Ticket

Die Kreistagsfraktionen wollen Eltern bei den Kosten für Bus und Bahn entlasten. Das Wie ist aber noch strittig.

06.10.2016

Von Renate Angstmann-Koch

Der Verkehrsverbund Naldo erhöht seine Preise zum 1. Januar um durchschnittlich 1 Prozent. Das ist weniger stark als je zuvor. Doch ausgerechnet bei den Schülermonatskarten langt Naldo kräftig zu – mit der Begründung, dass die Verkaufszahlen zurückgehen. Der Preis für eine Wabe soll um 2,9 Prozent auf 43,30 Euro steigen. Davon würden nach bisheriger Regelung 40,80 Euro an den Eltern hängen bleiben.

Die Vertreter des Kreises Tübingen sind darüber „nicht glücklich“, wie der Erste Landesbeamte Hans-Erich Messner am Mittwoch vor dem Verwaltungs- und Technischen Ausschuss (VTA) des Kreistags sagte. „Wenn die Schülerzahlen sinken, muss das solidarisch über alle Fahrgastgruppen getragen werden“, findet Gerd Hickmann (Grüne). Der Kreis konnte sich aber in den Naldo-Gremien nicht durchsetzen.

Gegen ihn läuft derzeit – stellvertretend für alle Landkreise – beim Verwaltungsgericht Sigmaringen die Klage eines Schülers aus Rottenburg. Er möchte komplette Kostenfreiheit für die Schülerbeförderung erreichen. In Bayern gilt sie bis zum 10. Schuljahr. Sollte der Schüler Recht bekommen, hätte der Kreis einen Einnahmeausfall von knapp 3 Millionen Euro jährlich zu erwarten. Das Urteil würde auch für die anderen Landkreise gelten. Landrat Joachim Walter hat das Land über die Auswirkungen informiert und erwartet, dass es dieses Defizit übernimmt. Allerdings ist nicht mit einem Urteil noch in diesem Jahr zu rechnen.

Zwischen 2006 und 2016 ist die Zahl der Schüler aller öffentlichen und privaten allgemeinbildenden und beruflichen Schulen im Kreis von 35 000 auf 31 000 gesunken. Zwei Jahre lang, 2014 und 2015, gab es bei der Schülerbeförderung im Kreis Tübingen einen Überschuss. Zwar ist bereits in diesem Jahr wieder ein sechsstelliger Euro-Betrag als Minus zu erwarten. Dennoch empfiehlt das Landratsamt, den Eltern einen Teil des Überschusses zurückzugeben und als Kreis mindestens fünf Jahre lang 3 Euro statt 2,50 Euro vom Preis der Monatsfahrkarte zu übernehmen. Das würde einen Einnahmeausfall von knapp 40 000 Euro pro Jahr bedeuten. Als weitere Neuerung strebt die Kreisverwaltung ein Naldo-weit gültiges Azubi-Ticket mit ähnlichen Konditionen wie bei den Schülerfahrkarten an.

Fraktionen suchen Modelle

Eigentlich stand am Mittwoch nur ein Bericht der Verwaltung über die Entwicklung an, noch keine Haushaltsdebatte. Erst bei ihr werden die konkreten Schritte beschlossen. Dennoch kündigten mehrere Kreistagsfraktionen Anträge zum Thema an. Die SPD begrüßt das Azubi-Ticket, sagte Hans Rebmann. Sie möchte aber, dass der Kreis die Tarifsteigerung für Schülerkarten komplett übernimmt. Stephan Neher (CDU) warnte davor, die Preiserhöhung für Eltern ganz auszusetzen – „sonst muss man irgendwann kräftig erhöhen“. Der Verwaltungsvorschlag sei „ein guter Mittelwert“. Das Azubi-Ticket stößt jedoch auch bei der CDU-Fraktion auf Gegenliebe.

„Wir haben die seltene Situation, dass eine Klage gegen den Landkreis läuft und der Kreis eigentlich das Interesse haben muss, dass sie durchgeht“, sagte Bernhard Strasdeit (Linke). Ein entsprechendes Urteil würde klären, ob zur Lernmittelfreiheit auch die Schülerbeförderung gehört. Die überproportionale Preissteigerung bei Naldo führte Strasdeit weniger auf sinkende Schülerzahlen als darauf zurück, dass „Schüler keine Lobby“ hätten. Selbst beim SPD-Vorschlag, die Tariferhöhung komplett zu übernehmen, würde die Subvention pro Monatskarte nur 3,70 Euro betragen: „Das ist weniger als bei anderen Fahrgastgruppen“, spielte Strasdeit auf das Semesterticket an.

„Andere große Verkehrsverbünde sind den Weg wie bei den Azubis längst auch bei Schülern gegangen“, bedauerte Hickmann, dass es darüber bei Naldo keine Einigkeit gebe. Er kündigte an, dass die Grünen – wohl mit weiteren Fraktionen – eine „zweite Rabattierstufe“ beantragen wollen: Sie soll Eltern nur den halben Eigenanteil abverlangen, also zwischen dem vollen Rabatt für einkommensschwache Haushalte und dem vollen Eigenanteil liegen.

Die FWV erklärte, erst noch intern über die Schülerbeförderung beraten zu müssen. Bewährt hat sich aus Sicht des Landratsamt die zum Schuljahr 2015/2016 eingeführte „Juli-Regelung“. Nach ihr übernimmt der Kreis den Eigenanteil der Eltern für den Monat Juli, wenn zuvor alle anderen Schülermonatskarten bezogen wurden. Durch diese Regelung seien Ganzjahresfahrer entlastet worden. Überdies sei es gelungen, Schüler stärker an den ÖPNV zu binden. Dagegen sei der „Familienbonus“ noch nicht im erwarteten Umfang genutzt worden.