Der Schornstein raucht

Landesinnung: Kaminfeger wehren sich gegen Feinstaub-Statistik

Vor dem Verbandstag in Reutlingen meldet das Kaminfeger-Handwerk gute Geschäfte – und wehrt sich gegen die Feinstaub-Statistik.

14.10.2016

Von Thomas de Marco

Vor drei Jahren hat das Handwerk der Schornsteinfeger gravierende Veränderungen erfahren: Ihr Kehrmonopol endete, seither dürfen sich Hausbesitzer selbst heraussuchen, wer ihnen aufs Dach steigt. Gleichzeitig bekamen sie aber neue Pflichten, etwa zur regelmäßigen Wartung der Feuerungs-Anlagen. Sonst drohen Strafen. Seit dieser Reform habe das Schornsteinfeger-Handwerk beim Umsatz um 15 bis 20 Prozent zugelegt, sagt Stefan Eisele, Präsident des baden-württembergischen Innungsverbands. Der tagt heute in der Reutlinger Stadthalle und erwartet dazu 300 Gäste.

„Die Reform hat ihren Dienst getan, dem Handwerk geht es gut“, sagt Eisele (siehe Infobox unten). Der Schornstein raucht also bei den Kaminfegern – doch dabei komme viel weniger Feinstaub heraus als in den Statistiken der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW), betont Karl-Heinz Sigel, Technikleiter des Landesinnungsverbands.

Er begründet dies mit den Zahlen für die Feinstaubhochburg Stuttgart, die ähnlich auch für die Stadt Reutlingen angesetzt werden dürften. So würden die Feinstaubwerte, die von kleinen und mittleren Holz- oder Kohle-Feuerungsanlagen emittiert werden, lediglich hochgerechnet – und dabei gehe man von falschen Zahlen aus. So ist der Landesinnungsverband überzeugt, dass die Brennstoffmengen im Stadtkreis Stuttgart wesentlich zu hoch angesetzt seien.

Wie viel verheizt werde, sei regional stark unterschiedlich, betont Sigel. So werde etwa auf der Schwäbischen Alb wesentlich mehr an Festbrennstoffen in die Öfen gesteckt als in Städten wie Stuttgart oder Reutlingen. Zudem würden viele Feuerstellen gar nicht mehr oder nur noch selten benutzt. „Ein Verbrennungsverbot wird deshalb keine Reduzierung des Feinstaubs bringen“, glaubt der Obermeister der Schornsteinfeger-Innung für den Regierungsbezirk Tübingen, Andreas Feuerer.

Dies alles berücksichtigt, würden sich die statistisch errechneten Feinstaub-Zahlen, die durch Holz oder Kohle entstünden, stark verringern, betont die Schornsteinfeger-Innung. Während die Landesanstalt LUBW etwa für die Stadt Stuttgart bei Holz, Kohle oder anderen Festbrennstoffen einen Anteil von 10 Prozent angibt, gehen die Schornsteinfeger von lediglich um die 3,5 Prozent aus.

Das bedeute auch, dass die Feinstaubemissionen, für die Holz und Kohle verantwortlich gemacht werden, mindestens halbiert werden müssten. Beim Feinstaub der Größe PM 2,5 (die Hälfte des Staubs enthält Teilchen mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrogramm) werden im Emissionskataster Baden-Württemberg von 2012 kleine und mittlere Feuerungsanlagen zu 41 Prozent als Verursacher angegeben. Der Verkehr kommt da nur auf 23 Prozent.

„Die Diskussion ist auch politisch motiviert, denn in Stuttgart hat der Straßenverkehr eine große Lobby“, sagt Präsident Eisele. Auch der Flughafen Stuttgart sei für große Feinstaub-Mengen verantwortlich. Deshalb geben die Schornsteinfeger den Schwarzen Peter an den Verkehr weiter. Sie fordern die Landesanstalt LUBW auf, die Erkenntnisse des Innungsverbands in die neue Luftqualitäts-Verordnung für Kleinfeuerungsanlagen einfließen zu lassen. Die Anstalt zeige sich auch kooperativ. „Betriebsbeschränkungen dürfen nur aufgrund der aktuellen Datengrundlage erlassen werden – wenn überhaupt“, verlangt Sigel.

Hausbesitzer wiederum sollten ungenutzte oder nur selten betriebene Feuerstätten stilllegen. „Dazu reicht heute eine schriftliche Erklärung des Betreibers, dass der Ofen nicht benutzt wird. Der muss nicht ausgebaut werden“, sagt Sigel. Tübingens Obermeister Feuerer betont, dass Aufklärung für die Reduzierung von Feinstaub entscheidend sei: „Der Dreiklang von Feuerstelle, Brennstoff und Bediener muss stimmen.“ Ansonsten helfe nur eine Software von VW, witzelt er.

Fachmesse begleitet den heutigen Verbandstag

930 Schornsteinfeger-Betriebebetreuen in Baden-Württemberg etwa 2,2 Millionen Gebäude und 6,5 Millionen Menschen, erklärt Stefan Eisele, Präsident des Landesinnungsverbands. Das seien gut 18 000 Kontakte pro Tag, die mit einer Zufriedenheitsquote von 95 Prozent seitens der Kunden enden. Die 930 Betriebe mit fast 2500 Beschäftigten erwirtschaften im Schnitt einen Jahresumsatz von 153 000 Euro und einen durchschnittlichen Gewinn von 38 000 Euro. Die Wechselquote liege trotz der Reform bei nur 5 Prozent, sagt Eisele. Sein Landesinnungsverband trifft sich am heutigen Freitag, 14. Oktober, 9.30 Uhr, in der Reutlinger Stadthalle zum 54. Verbandstag. Dieser ist öffentlich und wird von einer Fachmesse begleitet, bei der Hersteller über Öfen, Heizungen und Kessel informieren.

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Erstellt:
14.10.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 14.10.2016, 01:00 Uhr

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RabeHugo 14.10.201610:13 Uhr

Die Feinstaubwerte sind in Tübingen Mühlstraße, Reutlingen Lederstraße oder Stuttgart Neckartor etwa gleich hoch, wie man auf den entsprechenden Internetseiten sehen kann.

Wie der Artikel hier anschaulich zeigt, schieben sich die Verantwortlichen nur gegenseitig den Schwarzen Peter zu: In Tübingen denkt selbst auf Nachfrage keiner der Grünen darüber nach, den Individualverkehr in der Mühlstraße zu reduzieren.
Im Wohngebiet Alte Weberei sind trotz Verbots die Edelstahlkamine in die Höhe geschossen, in denen die Bewohner zusätzlich zu ihre Fernwärmeheizung (hoffentlich nur trockenes) Holz verheizen. Das interessiert sowohl die Stadtverwaltung als auch die Stadtwerke Tübingen auch auf Nachfrage nicht.
Dafür gibt es aber eine schöne "Agentur für Klimaschutz" in Tübingen mit einem "umweltfreundlichen" Diesel-Dienstwagen vor der Tür (ist zum Grlück kein VW).

Ökologie ist doch etwas Schönes, wenn man dafür keine Einschränkungen hinnehmen muss!

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