Allein erziehender, Trennungs-traumatisierter Älpler nervt und leidet sehenswert.

L'été indien

Allein erziehender, Trennungs-traumatisierter Älpler nervt und leidet sehenswert.

23.11.2015

Von pme

L'été indien

Alain Raousts (Buch und Regie) indischer Sommer führt in die französischen Alpen. Und etwas auch in den Alp. Das liegt an René, der einen Brief von seiner früheren Frau bekommen hat und den nun seine Vergangenheit wieder einholt. Das heißt, genau genommen wissen wir nicht, ob er nicht die ganzen 15 Jahre schon so war, die er von seiner Frau getrennt lebt: Zerknirscht, jämmerlich, neurotisch, ungerecht gegen andere, vor allem gegen seine mit ihm lebende, aber gerade flügge werdende Tochter und deren Freund. Gezeigt werden also die mal anrührenden und mal nervenden Beschädigungen einer nicht verarbeiteten, zerbrochenen Beziehung.

Und etwas Soziotypie bietet er auch: René ist einer jener sich mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsjobs durchschlagenden Älpler der älteren Generation, den Bildung (niedrig) wie Wohnort (hoch) und das dort herrschende Klima (rau) zu einem etwas weltfernen, Eigenbrötler machen. Lesen kann er zum Beispiel nicht. Ergreifend, wie er einen wildfremden Touristen den Brief seiner Frau vorlesen lässt. Der Film bietet eine sehr sensible, psychologische Zeichnung, ist sehr realistisch und kreiert mittendrin sogar gewisse Krimispannung: Man weiß halt nicht, was René alles zuzutrauen ist.

Am Schluss sieht es so aus, als würde der Film seine Hauptfigur aufgeben, er kümmert sich lieber um das Schicksal der vom Vater arg malträtierten Tochter, führt sie und ihre Mutter zu einem sanft angedeuteten Happy End. Und der Vater? Nach allem, was wir gesehen haben, trauen wir ihm keinen Neuanfang zu. Das geschieht ihm recht, tut insofern gut. Und tut doch auch weh. Schmerzlich, melancholisch und etwas Berg-beengend das Ganze.