Wohnen im Alter

Lieber dezentrale Versorgung

Ammerbuchs Bezirksseniorenrat kritisiert die Pläne für ein großes Pflegeheim und verlangt ein Konzept für die gesamte Gemeinde. Von Uschi Hahn

10.12.2016

Von Uschi Hahn

Wie und wo sollen in Ammerbuch künftig pflegebedürftige Senioren leben? Um diese Frage gibt es Streit. Am kommenden Montag geht es im Gemeinderat um das Projekt eines zentralen Pflegeheims mit 80 Plätzen, das der Nagolder Investor Rolf Hinderer in Poltringen realisieren möchte. Doch der Ammerbucher Bezirksseniorenrat hat andere Vorstellungen vom Wohnen im Alter.

Für Roland Ensinger, den Vorsitzenden des Ammerbucher Bezirksseniorenrates, ist allein schon der von der Gemeindeverwaltung angegebene Bedarf an rund 100 weiteren Pflegeplätzen bis zum Jahr 2020 fragwürdig. Man habe sich kundig gemacht, sagte er im Gespräch mit dem TAGBLATT. 50 zusätzliche Plätze für die vollstationäre Pflege seien bis zum Jahr 2020 ausreichend. Wobei Ensinger und seine Mitstreiter aus der Ammerbucher Seniorenvertretung anders als die Gemeindeverwaltung davon ausgehen, dass das Samariterstift in Entringen bestehen bleibt.

Das gemeindeeigene Pflegeheim, das von der Samariterstiftung betrieben wird, hat derzeit 29 stationäre Pflegeplätze und neun Plätze für Tagespflege. Die meisten Bewohner leben dort allerdings in Zweibettzimmern, die vom Gesetzgeber nur noch in einer Übergangsfrist zugelassen sind. Das Heim, zu dem auch Appartements fürs Betreute Wohnen gehören, in dem außerdem die Diakoniestation und die Begegnungsstätte der Gemeinde untergebracht sind, müsste also umgebaut werden.

Um die Ammerbucher Pflegeinfrastruktur fit für die Zukunft zu machen, schlägt Ensinger den Bau eines Altenheims mit 40 bis 45 Plätzen, inklusive Plätzen für Kurzzeit- und Tagespflege in Altingen oder Poltringen vor. Das Argument mangelnder Wirtschaftlichkeit dieser kleineren Einheit lässt der emeritierte Pädagogikprofessor nicht gelten. Viele Einrichtungen in der Region hätten eine Größe zwischen 25 und 45 Plätzen.

Als Ergänzung zu der zentralen Einrichtung wünscht sich der Bezirksseniorenrat drei bis vier dorfintegrierte Pflege-Wohngemeinschaften mit jeweils bis zu zehn Plätzen in jenen Ammerbucher Gemeindeteilen, in denen es bisher keine stationäre Pflegeeinrichtung gibt. Zusätzlich soll es in Nähe des Heims und der Wohngemeinschaften noch Angebote für Betreutes Wohnen geben. Auch angegliederte ambulante Servicestützpunkte seien wichtig.

Die Vorschläge des Bezirksseniorenrates sind nicht aus der Luft gegriffen. Wie berichtet, haben Ensinger und andere aus dem Gremium in den vergangenen Wocheneinige ganz verschiedene Einrichtungen in der Region besucht, um unterschiedliche Lebensformen im Alter zu erkunden. Eigentlich wollte der Bezirksseniorenrat die Erkenntnisse in die Planung der Gemeinde einspeisen, bevor es zu weiteren Entscheidungen im Gemeinderat kommt.

Bereits Ende September hatte man sich mit der Bürgermeisterin, anderen Verwaltungsmitarbeiterinnen, der Diakoniestation, Vertretern der Samariterstiftung und der Mitarbeiterin des Pflegestützpunktes an einem Runden Tisch versammelt. Dabei sei es „Konsens“ gewesen, dass die Gemeinde das Projekt des Pflegeheims ausschreibt, so Ensinger. Dies sei nicht geschehen. Auch habe es keinen weiteren Runden Tisch gegeben. Ein Gespräch vergangenen Mittwoch mit Bürgermeisterin Christel Halm sei „eher frostig“ verlaufen.

Ensinger, selbst 78 Jahre alt, liegt viel daran, dass für Ammerbuch eine „Gesamtkonzeption für die Versorgung der Senioren in der Gemeinde“ entwickelt wird – unter Beteiligung der Senioren selbst. Dazu gehören seiner Ansicht nach auch Informationsveranstaltungen in den Ortsteilen, „damit die Betroffenen gehört werden“. Auf alle Fälle erwartet der Bezirksseniorenrat, „dass seine Vorstellungen von den Fraktionen des Gemeinderates und der Bürgermeisterin aufgegriffen werden“.

Das Ganze nun einem Investor zu überlassen, findet Roland Ensinger falsch: „Die Versorgung Pflegebedürftiger gehört zur Daseinsvorsorge und ist damit eine Pflichtaufgabe für eine Gemeinde“, sagt der Seniorenvertreter.

Zum Artikel

Erstellt:
10.12.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 10.12.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!