Schauspieler

Liebhaber, Mörder und Papst

Der Franzose Michel Piccoli ist mit 94 Jahren gestorben. Er arbeitete mit den Großen des Kinos.

19.05.2020

Von SABINE GLAUBITZ

Michel Piccoli (links) drehte auch mit Jean-Luc Godard. Foto: Ralph Gatti/afp

Michel Piccoli (links) drehte auch mit Jean-Luc Godard. Foto: Ralph Gatti/afp

Paris. Er hat den Papst gespielt, Romy Schneider geküsst und Nacktszenen mit Brigitte Bardot gedreht: Michel Piccoli hat in mehr als 60 Jahren alles gespielt, was man an Rollen und Charakteren spielen kann. Jetzt ist der französische Film- und Theaterdarsteller im Alter von 94 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.

Piccoli hat in mehr als 220 Filmen gespielt. Sein Debüt gab er 1945 in „Das Geheimnis der Berghütte“, weitere Rollen folgten in „Der Tod in diesem Garten“ (1956) und ein Jahr später in „Nathalie“. Den Durchbruch schaffte er 1963 in Jean-Luc Godards „Die Verachtung“ über einen Drehbuchautor, dessen Ehe bei den Arbeiten zu einem Odysseus-Projekt zerbricht. Darin verkörpert er den Ehemann an der Seite von Brigitte Bardot.

Piccoli hat mit den großen Diven des Weltkinos gespielt – neben Bardot auch mit Catherine Deneuve, Sophia Loren, Jeanne Moreau und Ornella Muti. Mit Romy Schneider drehte er unter anderem „Die Dinge des Lebens“, „Das Mädchen und der Kommissar“ und „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“.

Ob in „Tagebuch einer Kammerzofe“ (1964), in „Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ (1972) oder in Marco Ferreris Gesellschafts-Satire „Das große Fressen“ (1973): Piccoli überzeugte durch Dominanz, Ausdruckskraft und Einfühlungsvermögen. Alle drei Streifen wurden zu Klassikern der Filmgeschichte.

Piccoli gehörte zu den seltenen Akteuren, die das Talent besaßen, immer ein wenig geheimnisvoll zu bleiben, auch wenn sie zum wiederholten Mal die Rolle des Liebhabers, Mörders oder betrogenen Ehemanns spielten. Oder wie die 2019 gestorbene Filmemacherin Agnès Varda einmal sagte: Piccoli verstehe es, seine Kunst zu verbergen, weil er die Gabe habe, sie sparsam einzusetzen.

Talent auch hinter der Kamera

Diese Kunst, seine Gesten und Bewegungen jedes Mal erneut zu einer Offenbarung werden zu lassen, haben viele Regisseure zu nutzen gewusst, unter ihnen Alfred Hitchcock, Luis Buñuel, Jean-Luc Godard, Claude Sautet und Costa-Gavras. Für „Der Sprung ins Leere“ von Marco Bellocchio gewann Piccoli in Cannes die Trophäe als bester Darsteller. Aber er stand auch selbst hinter der Kamera Sein Debütfilm „Alors voilà“ (1997) wurde hoch gelobt.

Piccoli wurde am 27. Dezember 1925 in Paris in eine Musikerfamilie italienischer Herkunft geboren. Sein Vater war Violinist, seine Mutter Pianistin. Nach der Schule begann er direkt mit dem Schauspielunterricht. Seinen ersten Bühnenauftritten folgten fast gleichzeitig Engagements vor der Kamera. Ebenso mühelos wie er zwischen den widersprüchlichsten Rollen wechselte, navigierte er zwischen Film und Theater.

Im Jahr 2016 stand Piccoli für die damals 87-jährige Agnès Varda für ihren Film „Hundert und eine Nacht“ vor der Kamera?– eine Komödie und eine Hommage auf 100 Jahre Filmkunst.

Sabine Glaubitz

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Erstellt:
19.05.2020, 06:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 19.05.2020, 06:00 Uhr

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