Übrigens

Lob auf ein zartes Pflänzchen

Die Natur zu schmähen ist fast so ungehörig wie eine Majestätsbeleidigung. Nur ganz heimlich und unter Ausschluss einer jeden Öffentlichkeit darf man manchmal ein bisschen vor sich hin kritisieren und sich fragen, warum weder das Pegida-artig sich ausbreitende Chelidonium majus (Schöllkraut) noch das verlauste Aegopodium podagraria (Giersch) ausgerottet ist.

15.04.2016

Von Ulla Steuernagel

Die demokratische Felsenbirne.

Die demokratische Felsenbirne.

Weshalb müssen die zutiefst tristen und verhärmten Forsythien aussehen, als habe man sie mit Bienenpipi übergossen und dann umgedreht in die Erde hineingerammt – wie Besen, die zu keiner Kehrwoche zu gebrauchen sind?

Auch die potthässlichen Orchideen-Topfpflanzen sollten endlich einmal den Ziegen zum Fraße vorgeworfen werden. Und man muss an dieser Stelle unbedingt von den Kalenchoen reden, die so fett sind, dass sie an derselben Blutgruppe Mett leiden wie die Erzeugerinnen mancher Despoten. Evolution, mach deine Arbeit, aber diesmal richtig! Das ist das einzige, was einem dazu einfällt.

Wir könnten jetzt auch noch das Kapitel Geschmackskritik aufblättern und von Thymian reden, der an verbrannte Autoreifen und Basilikum, das an Elefantenbullenschweiß erinnert.

Aber wenn man solche Schmähungen ausspricht, kommt man in ein gefährliches Fahrwasser und könnte schnell vor einem Amtsgericht landen – und zwar als Angeklagte. Es ist so viel schöner und einfacher, die Natur zu preisen und zu loben. Man muss sich nur ein geeignetes Objekt aussuchen. Zum Beispiel die Felsenbirne. Sie ist eine wahre Schönheit unter den Pflanzen. Ihre Zartgliedrigkeit könnte man mit der eines Recep Tayyip Erdogan vergleichen. Das Felsenbirnlein ist dennoch äußerst robust und wächst selbst unter miesesten Bedingungen. Ist es nicht wie jene Frauen, die allen Lachverboten zum Trotz sich sogar noch in der Öffentlichkeit Heiterkeitsstürme erlauben? Die Felsenbirne ist auch ein demokratischer Strauch, denn Bienenschwärme und Vogelscharen umschwirren sie wie ein Volk seine Wahlurnen.

Diese Pflanze muss keine Kritik fürchten, sie ist nicht nur schön, sondern auch nützlich und trägt zur Versöhnung bei. Ihr Name baut Brücken. Heißt sie doch „Amelanchier“ (Äpfelchen) und bringt so Unvergleichbares wie Äpfel und Birnen zusammen. Die Früchtchen, die sie produziert, sind sehr essbar und schmackhaft. Sie normalisieren den Blutdruck und Schlaf und steigern die Toleranz. Wir Felsenbirnenfreunde respektieren nicht nur die Meinungen von Religions- und Majetätskritikern, sondern sogar auch die von Majestäten.

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Erstellt:
15.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 00sec
zuletzt aktualisiert: 15.04.2016, 01:00 Uhr

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