Starke Dokumentation über Kindersoldaten in einem afrikanischen Kriegsgebiet.

Lost Children

Starke Dokumentation über Kindersoldaten in einem afrikanischen Kriegsgebiet.

24.11.2015

Von Dorothee Hermann

Lost Children

Das Land sieht aus wie aus dem Afrika-Bilderbuch. Filigran heben sich die Bäume von der roten Erde ab. Aber in Nord-Uganda tobt seit 20 Jahren ein besonders grausamer Krieg. Die Kinder in dem eindringlichen Dokumentarfilm „Lost Children? sind geflohene Kindersoldaten wie die 14-jährige Jennifer. Als Neunjährige wurde sie von der Rebellenarmee Lord?s Resistance Army verschleppt, die sich laut Amnesty International zu 90 Prozent aus Kindersoldaten rekrutiert. Im Auffanglager von Caritas International in Pajule versuchen Sozialarbeiter wie Grace und John Bosco, die Kinder so einfühlsam wie beharrlich zum Sprechen zu bringen. Der Film beschränkt sich beinahe ausschließlich auf ihre Berichte, in denen der Krieg Gestalt annimmt.

Es klingt wie ein grausames Märchen, wenn der zwölfjährige Francis erzählt, wie die Rebellen einen Jungen und ein Mädchen entführten. „Sie fesselten den Jungen. Das Mädchen sollte ihn zerhacken. Aber sie war zu schwach.? Die Kinder quälen Schuldgefühle und Alpträume wegen der Gewalttaten, zu denen sie gezwungen wurden. Gleichzeitig sieht man, wie sich freuen über die allererste Strichmännchen-Zeichnung ihres Lebens, wie sie Pläne schmieden für die Zukunft. Sie wollen wieder zur Schule gehen oder nähen lernen. Einfach wieder Kind sein.

Die beiden Regisseure Ali Samadi Ahadi und Oliver Stoltz drehten mehrere Monate lang im Kriegsgebiet. Die Schönheit ihrer klar strukturierten Bildsprache lässt die Berichte der Kinder noch bedrückender, noch widersinniger erscheinen. Der gebürtige Iraner Samadi, der den Film gemeinsam mit Amnesty International im Tübinger Kino Arsenal vorstellte, sollte im iranisch-irakischen Krieg Mitte der 80er Jahre selbst Kindersoldat werden. „1984 setzte die iranische Regierung die Altersgrenze fürs Militär von 18 auf 13 Jahre herunter.? Der damals Zwölfjährige floh allein nach Deutschland.

Das Lager wieder zu verlassen, ist sehr schwierig für die Kinder. Denn ihre Familien haben Angst vor ihnen. Am Anfang, sagt die Sozialarbeiterin Grace, habe sie nachts davon geträumt, was ihre Schützlinge ihr erzählt hatten. 800 Kinder hat sie bisher betreut. „20 Prozent haben nicht getötet.?