Macht mich wütend

Im Rottenburger Waldhorn-Kino lief eine Dokumentation über Multiple Sklerose.

09.11.2016

Von Hans-Peter Frank

Den Film „Multilple Schicksale“ wollte ich unbedingt sehen, obwohl mein ehemaliges Lieblingskino für mich inzwischen fast unzugänglich ist. Ich leide nämlich selbst an MS und habe das Kino seit einem Treppensturz dort jahrelang nicht mehr besucht.

Jetzt aber arbeitete ich mich mit Hilfe meiner Frau mühsam und ohne Sturz die Treppe hoch. Ich konnte mich noch nicht einmal an dem Geländer, das man mit der Hand gar nicht umfassen kann, richtig festhalten. Das ist auch für Gesunde und Senioren gefährlich und entspricht nicht der DIN-Norm.

Bestürzend war der Film auf andere Art. Es war für mich berührend, zu sehen, wie Leidensgenossen mit der Krankheit umgehen. Ich empfand Anteilnahme, Solidarität und Sympathie für alle. Jede(r) der Betroffenen zeigte Aspekte der Krankheitsverarbeitung, die auch mich seit über 20 Jahren beschäftigt. Den Film zu sehen hätte ich allerdings noch viel mehr Betroffenen und Angehörigen gewünscht.

Wie kommt es dazu, dass dieser Film an einem Ort gezeigt wird, den die meisten MS-Kranken ohnehin gar nicht erreichen können? Die in der UN-Konvention geforderte Teilhabe hätte gerade hier erfüllt sein müssen! Es macht mich wütend, dass ich mit fortschreitender Behinderung zunehmend von der Teilhabe am öffentlichen Leben ausgeschlossen bin.

Es gibt kein einziges barrierefreies Kino im Landkreis Tübingen. Wann tun sich die Betreiber und die Stadt endlich einmal zusammen und schaffen Abhilfe? Der Beitritt zur UN-Konvention muss mehr als ein Lippenbekenntnis sein!

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Erstellt:
09.11.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 44sec
zuletzt aktualisiert: 09.11.2016, 01:00 Uhr

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