Stuttgarter Museen

Mal Party, mal Theater, mal Teestunde

Mit überraschenden Angeboten außerhalb des normalen Ausstellungsbetriebs erschließen sich die Stuttgarter Museen neue Besuchergruppen.

16.02.2019

Von CAROLINE HOLOWIECKI

Das Ensemle des Theaterhauses sucht die Verbindung zwischen Ekstase und dem Song „You'll never walk alone“. Foto: Ferdinando Iannone

Das Ensemle des Theaterhauses sucht die Verbindung zwischen Ekstase und dem Song „You'll never walk alone“. Foto: Ferdinando Iannone

Gut, dass es dunkel ist. Der eine oder andere Zuhörer ist im Kunstmuseum sicher errötet. „Ja, ja, jaaa, tiefer!“, stöhnt Katja Schmidt-Oehm laut ins Mikro. Obwohl sie nur vor einer weißen Wand liest, zeigt das Kopfkino wilden Sex. „Sie erleben etwas Außergewöhnliches“, hat Werner Schretzmeier, Leiter des Theaterhauses, noch so treffend angekündigt, und dann lachen, fluchen und flüstern sich sieben Schauspieler durch die Geschichte der Fußball-Hymne „You?ll never walk alone“, zu der sich in Dortmund und Liverpool stets Zehntausende in den Armen liegen.

Sex? Fußball? Im Kunstmuseum? Auf den ersten Blick haben die szenische Lesung „Never walk alone“ und das Museum gar nichts miteinander zu tun – nur den Aufhänger „Ekstase“, so lautet der Titel der aktuellen Sonderausstellung. Doch es ist nicht das erste Mal, dass das Kunsthaus den klassischen musealen Rahmen bewusst sprengt. Längst hat sich der Glaskubus etwa als Außenspielstätte der Ludwigsburger Schlossfestspiele etabliert, Computerspiel- und Tanzworkshops werden angeboten. „Wir haben einen prominenten Platz in Stuttgart. Da gehört es dazu, dass man sowas zusammenführt“, sagt Sprecherin Isabel Kucher. „Wir sind ein offenes Haus, und das versuchen wir auch über die Programme zu vermitteln.“

Der Ausbruch aus den Museumsnormen als Hingucker. Perfektioniert hat den das neue Stadtpalais. Mit Rollschuhdisco, offenen Chorproben, Hip-Hop-Feten sowie dem umjubelten Sommerprogramm „Stuttgart am Meer“ hat sich das Haus seit der Eröffnung im April 2018 als neue Hipster-Heimat positioniert und bis Anfang Dezember schon mehr als 200?000 Besucher angelockt. „Das Ziel ist, dass das Haus immer lebendig ist“, erklärte der Direktor Torben Giese im Gespräch mit dieser Zeitung. Und lebendig ist eben, worüber die Leute reden und wohin sie kommen.

Auch andere Institutionen überlegen, was interessiert: „Das kann manchmal in sein, manchmal anregend, manchmal überraschend“, sagt Martin Otto-Hörbrand, Sprecher des Lindenmuseums. Gleich alle drei Attribute treffen auf ein Angebot zu: Meditation inmitten der Buddha-Figuren in der Südostasienabteilung. Regelmäßig, etwa am 24. Februar, richtet eine vietnamesische Gruppe zwischen den Exponaten Entspannungsübungen aus. Es müsse zum Ambiente passen, sagt Otto-Hörbrand. Das sei die Voraussetzung für Events abseits der Ausstellungsroutine. So finden etwa Weltmusik-Konzerte oder Tee-Zeremonien statt. Ziel sei, Themen zu vertiefen. Aber: „Klar schaut man auch, wie man eine Ausstellung belebt.“

Belebt wird derzeit auch das Landesmuseum: Da das Foyer wegen eines Umbaus dem klassischen Betrieb knapp ein Jahr lang nicht zur Verfügung stehen wird, wird die Dürnitz – ursprünglich der Gemeinschaftsraum der Mittelalterburg – anderweitig genutzt. Dabei soll fürs Alte Schloss nicht nur eine räumliche, sondern auch eine inhaltliche Veränderung herauskommen. Markus Wener, als Abteilungsleiter für Veranstaltungen zuständig, spricht von einer Experimentierphase. Events wie Krimi-Führungen hätten gezeigt: „Da erreichen wir ein Publikum, das nicht das klassische Ausstellungspublikum ist.“ Nicht immer müssen das die Teenager sein. Der Altersschnitt bei der Fußball-Lesung im Kunstmuseum lag bei über 50 Jahren.

Es geht darum, Schwellenängste abzubauen. Daher wird der Bereich Theater im Landesmuseum ausgebaut. Während des Umbaus dürfen sich sechs Kooperationspartner austoben und ein Programm auch für „experimentierfreudige Neulinge“ ausrichten. Dabei sind die Freie Tanz- und Theaterszene, ein Figurentheaterfestival oder die Akademie für gesprochenes Wort. Hauptsache Eventcharakter, der werde immer wichtiger. Nicht zuletzt deswegen erhält die Dürnitz eine versenkbare Bühne und ein Café. Markus Wener betont: „Das Museum wird zum Kulturhaus.“

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Erstellt:
16.02.2019, 08:05 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 43sec
zuletzt aktualisiert: 16.02.2019, 08:05 Uhr

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