Hier werden Klischees von italienischen Machos und Mammas bedient und entlarvt.

Mambo Italiano

Hier werden Klischees von italienischen Machos und Mammas bedient und entlarvt.

24.11.2015

Von BIRGIT ROSCHY, AP

Mambo Italiano

Schwule Italiener? So was gibt"s nicht, basta. Und trotzdem versucht Angelo seiner Sippe beizubringen, dass Nino nicht nur sein WG-Mitbewohner, sondern sein Herzallerliebster ist. Doch in der Komödie "Mambo Italiano" erweist sich das Coming-Out als besonders riskant. Denn man befindet sich gar nicht mehr in Italien, sondern im Viertel "Petite Italie" in Montreal, dessen erste Einwanderer-Generation neben Tomatensträuchern eine betont konservative Italianita kultiviert.

Man verteilt Backpfeifen an die Kinder, streitet und versöhnt sich über der Pasta, macht Söhnen, die endlich von zu Haus ausziehen, tränenreiche Szenen, und erwartet, dass sie ein nettes italienisches Mädchen heiraten. So sind sie halt, die Italiener, die verzweifelt ihr wahres Leben im Falschen bewahren wollen. Auch in dieser italokanadischen Variante wird die wütende elterliche Abwehr eines "unmoralischen" Lebenswandels und das Festhalten an den Traditionen des Heimatlandes karikiert. Doch die Geschichte von Angelo, dem angehenden Autor, ist weit düsterer.

Eigentlich. Nur merkt man es nicht so schnell, weil mit geradezu hysterischer Vehemenz die Klischees vom temperamentvollen Südländer persifliert werden und alle Beteiligten sich, vor grellbunten Tapeten, Rededuelle liefern, die regelmäßig ins Absurde driften. Im beschleunigten Sitcom-Tempo werden Schicksale durchgewunken, die bei längerer Verweildauer Stoff für herzzerreißende Dramen bieten würden - wie etwa im Fall der ebenfalls Culture-Clash-geschädigten, tablettensüchtigen Schwester.

Kleine Tragödien

Auch die im Zeitraffer abgespulten Rückblenden auf Angelos Außenseiter-Kindheit verraten lauter kleine Tragödien und zugleich den festen Vorsatz, darüber nicht zu weinen, sondern zu lachen. Und inmitten theatralischer Mamma-Mia-Folklore wird jenseits aller schwulen Stereotypen die schöne, traurige Liebesgeschichte von Angelo und seinem wiedergefundenen Jugendfreund Nino geschildert, der ein Polizist ist und leider kalte Füße bekommt. Was also zunächst wie die x-te krachlederne Multi-Kulti-Farce aussieht, erweist sich erstaunlich nuancenreich. Im Totalstreit, der nach Angelos Coming-Out ausbricht, sind manche Ansichten durchaus ein zweites Hinhören wert: Schwul ist der, der unten liegt. Überdies wird niemand a la Hollywood zu seinem Glück gezwungen, und so plädiert der Film nebenbei für das Recht auf Feigheit, spottet gar über Angelos schwule Selbsthilfegruppe. Denn dieser Abkömmling einer stürmischen Familie, ungeübt im Betroffenheitsvokabular, macht sich inmitten der mozzarella-bleichen Runde von Leidensgenossen mit seinem Gewitzel gleich unbeliebt.

Auch die Figuren gewinnen über das Klischee hinaus Konturen - allen voran der einzige Promi des Ensembles, Paul Sorvino. Sorvino spielt Angelos Vater als einen Grantler, der einem fast Leid tut. Denn in dieser Macho-Kultur hat stets das schwache Geschlecht das letzte Wort. Ninos sexy Mutter ignoriert die Homosexualität ihres Sohnes und moniert vielmehr, dass er sich mit Angelo jemand ausgesucht hat, der die Hässlichkeits-Gene seiner kittelbeschürzten Mutter in sich trägt. Und statt mit einem banalen Happy End erfreut diese intelligente Farce am Schluss lieber mit treffsicherer, bissiger Komik.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 25sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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