Ein Juwel für andere Eltern

Maria Velasco ist seit zehn Jahren Tagesmutter

Sie betreut tagsüber fünf Kleinkinder anderer Eltern, den der vor 25 Jahren gegründete Tageselternverein Tübingen vermittelt, und ihren eigenen Nachwuchs. Maria Velasco ist seit zehn Jahren Tagesmutter.

31.10.2016

Von Christiane Hoyer

Ein Bilderbuch anschauen kommt bei Maria Velascos Tageskindern genauso gut an wie nach draußen zu gehen.Bild: Metz

Ein Bilderbuch anschauen kommt bei Maria Velascos Tageskindern genauso gut an wie nach draußen zu gehen.Bild: Metz

Um 15 Uhr läutet es an der Haustüre, das Telefon bimmelt, und Tochter Laura braucht Hilfe am Computer. Alles gleichzeitig. Doch Maria Velasco bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Während die 15 Monate alte Ella auf ihrem Arm das Geschehen aufmerksam beobachtet, hilft die Tagesmutter ihrer Tochter Laura und dem Schulfreund mit dem Computer. Beim Telefonieren kniffelt sie über Formulierungen für einen Flyer. Unterdessen werden die zweijährige Marielou und ihr Bruder Toni, ein Jahr alt, abgeholt. Nina Stahl wollte neun Monate nach der Geburt von Toni wieder arbeiten und suchte nach einer Alternative zur Kita. „Ich wollte meine Kinder einfach noch nicht in eine Institution mit vielen Kindern geben“, sagt Nina Stahl. Von Maria Velasco erfuhr sie über Bekannte. „So was spricht sich rum“, sagt Stahl. Für sie ist „Maria der Juwel aller Tagesmütter“.

Maria Velasco betreut sieben Kinder unter drei Jahren, fünf Tage in der Woche. Nicht alle von diesen unter Dreijährigen kommen gleichzeitig – fünf Kinder auf einmal dürfen es laut Vorschrift sein. Die Tage von Maria Velasco sind gut ausgefüllt. Die ersten Kleinkinder werden um 8 Uhr in der Frühe gebracht, die letzten um 16 Uhr abgeholt. Umso wichtiger ist für Velasco ein organisierter und vorgeplanter Alltag. Vor allem die Vormittage laufen nach einem festen Rhythmus ab. Wenn Velascos eigene Kinder – Laura, 6 Jahre, und die Brüder Martin und Niko, 11 und 18 – aus dem Haus sind, dürfen sich die Kleinen erst mal frei beschäftigen in der großen Wohnung der Velascos im neuen Lustnauer Viertel in der Alten Weberei. Um 9.15 Uhr gibt‘s ein Obst-Vesper, danach gemeinsames Basteln, Malen oder Puzzeln. Nebenher bereitet die Tagesmutter schon mal das Mittagessen vor, schält Kartoffeln oder putzt Gemüse. Und dann geht Velasco mit ihren Schützlingen immer ins Freie, zu den Pferden oder auf den Spielplatz – „alles, was ich mit meinen Kindern auch gemacht habe“. Gegessen wird in der Familie Velasco in zwei Schichten. Um 12 Uhr gibt’s Mittagessen für die Kleinen, die danach gerne eine Runde schlafen auf dem Sofa oder in ihren Reisebettchen. Um 13.15 Uhr ist dann die eigene Familie an der Reihe.

Maria Velasco kommt aus Chile. Sie heiratete einen Deutsch-Spanier und zog mit ihm und dem vierjährigen Sohn Niko 2002 nach Tübingen. Die deutsche Sprache lernte sie schnell – „das musste schnell gehen, ich hatte schließlich ein Kind im Kindergarten“, erinnert sie sich und lacht. Als mühsam gestaltete sich allerdings ihre Suche nach einer Stelle. Velasco hat Betriebswirtschaftslehre studiert. Doch da ihr Mann wegen seines Berufs auch immer wieder phasenweise im Ausland arbeitet, „waren für mich die Voraussetzungen an eine Berufstätigkeit zu hoch“. Während ihrer Jobsuche kam Velasco auch in Kontakt mit dem Tübinger Tageselternverein. Dort schlug man ihr vor, selber als Tagesmutter zu arbeiten. Vor zehn Jahren, als ihr Sohn Martin ein Jahr alt war, begann Velasco mit der Kindertagespflege. In der damaligen Wohnung gab es genug Platz, und ihr kleiner Sohn hatte jemanden zum Spielen – „das war perfekt“, sagt sie. Auch ein vierjähriger Auslandsaufenthalt in Brasilien hielt Velasco nach der Rückkehr vor vier Jahren nicht davon ab, wieder in die Arbeit als Tagesmutter einzusteigen. Inzwischen war ihre Tochter Laura geboren, und sie konnte „unkompliziert“, Erziehung und Hausarbeit mit der Betreuung fremder Kinder kombinieren.

„Ich arbeite einfach gerne mit Kindern“, sagt Velasco. Und an den Kleinen merkt sie auch schnell, dass sie sich bei ihr wohlfühlen. Als „unkompliziert“ und hilfreich bewertet sie das Verhältnis zu Jugendamt und Tageselternverein. Das Jugendamt ist ihr Arbeitgeber, der Tageselternverein vermittelt im Auftrag der Kreisverwaltung die Kinder an sie. Ihr Gehalt bekommt Velasco vom Jugendamt. Reich wird sie mit der Kindertagespflege nicht. Aber „es ist mein Nebenverdienst“, sagt sie, und sie ist voll versichert – die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge übernimmt das Landratsamt. Velasco bekommt einen Stundenlohn von 5,50 Euro pro Kind unter drei Jahren.

Mit dieser sogenannten „laufenden Geldleistung liegen wir bundesweit an der Spitze“, sagt die Geschäftsführerin Annette Geist vom Tageselternverein. Die abgebenden Eltern ihrerseits bezahlen eine monatliche Betreuungsgebühr, die sich nach ihrem Bruttoeinkommen richtet. Der Landkreis hat dafür eine einheitliche Kostenbeitragstabelle eingeführt. Eltern mit einem Bruttoeinkommen von 23 000 Euro im Jahr bezahlen beispielsweise nichts für die Kindertagespflege – dafür kommt dann das Jugendamt auf. Wer 68 000 Euro im Jahr verdient oder mehr, ist in die höchste Einkommensstufe der Tabelle eingruppiert. Er muss für sein Kind 1,90 Euro pro Stunde bei Velasco zahlen, Mahlzeiten und Bastelutensilien miteingerechnet. Bei einer Betreuung von 20 Stunden in der Woche müssten die Eltern also einen Monatsbeitrag von 152 Euro bezahlen . Sie erhalten außerdem nach Antrag auf öffentliche Förderung einen Zuschuss vom Landkreis. Dieser ist bei den Einkommensstufen bereits miteingerechnet.

Seit der Umstellung im Sozialgesetzbuch des SGB VIII im Jahr 2009 „hat sich viel getan“, sagt Geist. Positiv sei, dass die Bezahlung der Tagesmutter nun kein „potentielles Konfliktthema“ mehr in der Beziehung von abgebenden Eltern und Tageseltern ist. Als „angenehm“ empfindet es Velasco auch, dass sie bezahlten Urlaub machen kann mit ihrer Familie. Andererseits bietet sie den Eltern flexible Betreuung an, wenn diese mal eine längere Besprechung im Job haben und ihr Kind später abholen möchten. Was Velasco besonders schätzt: Sie kann die eigene Arbeit zuhause mit der Tagespflege kombinieren. „Bestimmt werde ich nicht Tagesmutter sein, bis ich 60 Jahre alt bin“, sagt sie. „Aber zehn Jahre lang werde ich das sicher noch machen.“