Eine Arena der Zerstörung

Weltethos-Preis für syrisch-deutschen Schriftsteller Rafik Schami im Tübinger Landestheater

Im Landestheater Tübingen nahm der Schriftsteller Rafik Schami eine Auszeichnung für seinen aktuellen Jugendroman entgegen.

24.10.2018

Von Lisa Maria Sporrer

Rafik Schami (rechts) freute sich über den Preis, Dagmar Waizenegger (links) und Stephan Schlensog freuten sich hingegen, einen so prominenten Schriftsteller in Tübingen bei der Kinder- und Jugendbuchwoche begrüßen zu können.Bild: Franke

Rafik Schami (rechts) freute sich über den Preis, Dagmar Waizenegger (links) und Stephan Schlensog freuten sich hingegen, einen so prominenten Schriftsteller in Tübingen bei der Kinder- und Jugendbuchwoche begrüßen zu können.Bild: Franke

Früher habe ich geheult, wenn ich ein weinendes afrikanisches Kind gesehen habe. Heute blätter ich um mit Bedauern“, sagte Rafik Schami im Landestheater Tübingen. Am Dienstag verlieh ihm dort Stephan Schlensog, Geschäftsführer der Weltethos-Stiftung, für sein Buch „Sami und der Wunsch nach Freiheit“ den Jugendbuchpreis Friedolin 2018 der Stiftung Weltethos.

Er wolle damit ein Zeichen gegen die Gleichgültigkeit setzen, so Schami. „Wir, die in Frieden leben, vergessen langsam, dass andernorts Jugendliche für die Grundsätze der Freiheit kämpfen. Syrien etwa ist heute eine Arena der Zerstörung.“ Aber er habe nicht einen Roman schreiben wollen, der Moral predigt, sondern einen, der spannende Abenteuergeschichten erzählt.

Sein jüngstes, im vergangenen Sommer erschienenes Werk, für das er bereits den Heinemann-Friedenspreis erhalten hat, erzählt von einer Jugend in den Gassen von Damaskus. Es geht um den Aufstand des syrischen Volks im Jahr 2011 und große Themen wie Freiheit, Liebe, Mut und Güte. Rafik Schami habe in diesem Jugendbuch auf beispielhafte Weise aktuelle, ethische und interkulturelle Fragen thematisiert, sagte Schlensog. In einer Feierstunde, die die neunten Klassen des Wildermuth-Gymnasiums musikalisch eröffneten, überreichte Schlensog den mit 4000 Euro datierten Preis.

„Sami und der Wunsch nach Freiheit“ sei ein ergreifendes und authentisches Buch, ein wunderbares Zeichen der Hoffnung. „Manchmal habe ich mir aber gewünscht, dass Sie das Buch nicht hätten schreiben müssen“, sagte Schlensog. Denn es sei die Reaktion auf eine Gesellschaft, die zunehmend in den Sog eines gleichermaßen sinnlosen wie menschenverachtenden Krieges geraten sei.

Interview: Der Schriftsteller Rafik Schami über Kochen und Schreiben
© ST 03:12 min
Der syrische Schriftsteller Rafik Schami erhielt zum Auftakt der Jugendbuchwoche am Landestheater Tübingen den Jugendbuchpreis Friedolin der Stiftung Weltethos für den Roman „Sami und der Wunsch nach Freiheit“. Lisa Maria Sporrer sprach mit ihm über seinen besonderen Blick auf die Gesellschaft, den Aberglauben und den Unterschied zwischen Schreiben und Kochen. Video: Sporrer
„Rafik Schami“ ist ein Pseudonym. Aus dem Arabischen übersetzt bedeutet es „Damaszener Freund“. Unter diesem Pseudonym schreibt und erzählt der am 23. Juni 1946 in Damaskus geborene Suheil Fadél seit Anfang der 1980-Jahre Literatur, die Erwachsene wie Kinder gleichermaßen anspricht. Seine Romane, Erzählungen, Jugend- und Kinderbücher wurden vielfach preisgekrönt.

Und das sei ihm wichtig, sagt er. „Ich sage immer, ich bin ein Koch und Schriftsteller.“ Als Koch bekomme er einen direkten Eindruck, ob ihm das Essen gelungen sei oder nicht. Als Schriftsteller sei das nicht so einfach. „Aber die Preise, die ich erhalte, sind für mich eine Reaktion, dass mir die Geschichten gelungen sind.“

„Man könnte Rafik Schamis Leben und sein gesamtes literarisches Schaffen der Weltethos-Idee zuordnen“, sagte Dagmar Waizenegger, Leiterin des Fachbereichs Kultur, in ihrer Laudatio. Die Idee, das ist das Ziel eines gemeinsamen Wertefundaments aller Religionen und Kulturen. Und Schami sei Kulturvermittler, überschreite Grenzen und gebe Hoffnung, so Waizenegger. Über den Preis des Weltethos-Instituts freue er sich besonders, sagte Schami. Denn Hans Küng, Gründer der Stiftung, sei ihm immer ein Vorbild gewesen. Denn: „er erkannte den Wert, dass ein Miteinander nur auf Augenhöhe funktioniert.“

Der Schriftsteller und seine Beziehung zu Tübingen

Die Stadt Tübingen ist dem Schriftsteller Schami nicht fremd. Bereits vor 35 Jahren habe er hier eine Lesung gehalten. Damals, er sei noch ganz unbekannt gewesen, seien immerhin 12 Zuhörer gekommen. Seitdem kommt er öfters, zum Bücherfest oder Lesungen. 2012 gründete er in Tübingen zusammen mit dem Verleger Hans Schiler den gemeinnützigen Verein „Schams“ (Sonne). Die Initiative will das Leben von Kindern und Jugendlichen in Syrien und den Zufluchtgebieten mit konkreten Projekten verbessern. Momentan schreibt Schami an einem Roman. Im nächsten Jahr soll er erscheinen. Zum Bücherfest im Juli hat sich Schami bereits angekündigt. Nächste Lesung in Tübingen ist am 5. April 2019 im Sparkassen-Carré.

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Erstellt:
24.10.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 45sec
zuletzt aktualisiert: 24.10.2018, 01:00 Uhr

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